Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
die zarten Augenbrauen hoch und richtete ihren Blick ermattet gen Himmel.
»Dann hast du in deinen Flitterwochen keinen Spaß gehabt?« fragte ich, um mir bestätigen zu lassen, was Tony mir bereits erzählt hatte.
»Ja und nein. Er ist so sportlich, und bei Anbruch der Dämmerung ist er schon auf und erwartet von mir, daß ich angezogen und zum Frühstück bereit bin; und wenn ich mich beklagt habe, war er außer sich. Kannst du dir eine solche Rücksichtslosigkeit vorstellen? Wie konnte er bloß von mir erwarten, daß ich mit ihm in den Frühstücksraum hinuntergehe, ohne ordentlich angekleidet und geschminkt zu sein? Ich habe ihn dann allein runtergeschickt und war wirklich froh, ihn los zu sein, damit ich mich zurechtmachen konnte, ohne daß er mir zusah. Er war immer schon mit dem Frühstück fertig und wollte aus dem Haus gehen, ehe ich auch nur halb soviel Zeit hatte, wie ich sie brauche, um mich fertigzumachen. Das war ihm lästig, aber ich habe ihm gesagt, er brauchte nicht auf mich zu warten. Ich habe ihm gesagt, er solle einfach vorausgehen und auf diesen kalten Bergen rauf und runter rutschen.
Man hätte meinen sollen, nach diesen anstrengenden Beschäftigungen sei er abends wenigstens erschöpft gewesen. Aber nein… jeden Nachmittag ist er doch tatsächlich gestärkt und belebt zurückgekommen, und du kannst dir ja denken, was ein Mann, der so jung und so vital wie Tony ist, will.«
Sie sah den verständnislosen Blick auf meinem Gesicht und lächelte affektiert.
»Er liebt dich, als sei es das allerletzte Mal, und er vergewaltigt dich praktisch«, erklärte sie. Das Blut stieg in mein Gesicht, als ich hörte, daß sie so intime Dinge preisgab. »Und wenn es endlich vorbei ist und du glaubst, jetzt könntest du in Ruhe zu Atem kommen, geht es schon wieder los. Ich bin mir wie ein Straßenmädchen vorgekommen.
Ja, sogar mitten in der Nacht hat er mich geweckt, mich aus meinem friedlichen, erholsamen Schlummer aufgeschreckt, und dann wollte er zudringlich werden. Es war ihm ganz egal, daß ich gar nicht richtig wach war. Er war wütend, weil ich nicht so reagiert habe, wie er es sich erhofft hat.
Nun, ich konnte es eben nicht. Und ich wollte es auch gar nicht. Ich denke gar nicht daran, meine Gesundheit und meine Schönheit zu opfern, um die animalischen Gelüste eines jungen Mannes zu befriedigen«, fügte sie entschieden hinzu.
Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte. Mama stellte es so hin, als sei es eine Folter, geliebt zu werden, aber so war es in den Büchern, die ich gelesen hatte, nicht beschrieben.
»O Leigh«, rief sie aus, wandte sich zu mir und nahm meine Hände in die ihren, »du mußt jetzt mehr denn je meine beste Freundin sein, meine Verbündete. Wirst du das für mich tun?«
»Ja, natürlich«, erwiderte ich, obwohl ich wieder einmal keine Ahnung hatte, wovon sie sprach.
»Gut, denn Tony mag dich, und er hat nichts dagegen, einen Teil seiner Zeit mit dir zu verbringen. Das kann ich deutlich sehen. Es war sehr gut, daß du in Boston mit ihm essen gegangen bist. Ich werde deine Hilfe brauchen, damit er seinen Spaß hat und beschäftigt ist. Er verlangt viel Aufmerksamkeit und Zuwendung, und er fordert viel Zärtlichkeit. Das laugt einen aus bis auf den letzten Tropfen!« rief sie. »Nicht etwa, daß ich ihn nicht liebe. Ich bete ihn an. Ich hätte nur einfach nie damit gerechnet, daß er so… so männlich sein würde… so gierig auf Sex. Wenn ich keine Mittel finde, um ihn in Schach zu halten, wird er Raubbau mit mir treiben und mir jeden Schwung nehmen. Ja«, sagte sie, ehe ich darauf reagieren konnte, »das habe ich an anderen Frauen schon gesehen, denen es so ergangen ist. Ihre Männer verlangen so viel, daß sie vorzeitig alt werden, und dann suchen sich ihre Männer anderswo Befriedigung. Eine Frau muß ihre Schönheit hüten wie einen kostbaren Edelstein, und sie darf es den Männern gestatten, zu ihr aufzublicken, sie sehnsüchtig anzuschmachten, aber kaum je, sie zu berühren, denn jede Berührung laugt aus, nimmt der Schönheit etwas, läßt sie abstumpfen, vermindert sie. Tony will mich ständig an seiner Seite haben. Er will, daß ich immer da bin, wenn er den Drang verspürt, mich zu küssen, meine Hand zu halten und mich zu umarmen.«
Ich fand es wunderbar, wenn ein Mann eine Frau so sehr begehrte. Und war nicht schließlich ihre größte Klage bei Daddy gewesen, er hätte nicht genug Zeit mit ihr verbracht, ihm liege weniger an ihr als an seinem Geschäft?
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