Casteel-Saga 05 - Dunkle Umarmung
Krankenhausbett, die Sauerstoffmaske und der Tropf ließen ihn so zierlich erscheinen, so zerbrechlich. Mein Herz strömte ihm entgegen. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten, die sich schon wieder in meinen Augenwinkeln sammelten. Tony zog sein Taschentuch heraus und wischte sie weg.
»Er wird wieder gesund«, tröstete er mich und drückte mich wieder an sich. Ich nickte. »Laß uns nach Hause fahren«, sagte er. Als wir diesmal durch die großen Tore von Farthy fuhren, klangen Tonys Worte wahr: »Laß uns nach Hause fahren.«
Ich war hier zu Hause, denn man war nicht in einem Haus oder einer Wohnung zu Hause, die in irgendeiner Straße stand; zu Hause war man dort, wo die Menschen lebten, die einen liebhatten. Ich hatte Daddy sehr lieb, aber er war auf einem Schiff auf dem Meer, und in unserem Haus in Boston lebte jetzt niemand.
Mama war endlich aufgewacht. Tony und ich fanden sie vor ihrer Frisierkommode vor. Sie war gerade erst aufgestanden und trug nur einen langen tannengrünen Seidenmantel, den sie in Europa gekauft hatte. Sie saß da und bürstete sich das Haar.
»Leigh, ich habe vor mehr als einer Stunde nach dir geschickt. Wo bist du gewesen?« fragte sie. Tony blieb hinter mir in der Tür stehen, und wir tauschten enttäuschte Blicke.
»Ich war bei Tony im Krankenhaus, um nach Troy zu sehen, Mama.«
»Ich habe dich doch gebeten, nicht mit dieser Krankheit in Berührung zu kommen. Da kannst du sehen, was es heißt, ein Mädchen in ihrem Alter aufzuziehen, Tony«, schimpfte sie. »Sie sind wie Wildpferde, stur und unberechenbar.«
»Sie kann sich nicht angesteckt haben, Jillian«, sagte Tony. »Sie ist nicht in seine Nähe gekommen, und ich fand es wunderbar von ihr, daß sie gekommen ist.«
»Du hättest anrufen können. Wie konntet ihr beide mich hier sitzenlassen. Ich hatte keine Ahnung, was passiert ist… wo doch alle…«
»Ich habe angerufen«, protestierte Tony, »aber die Dienstboten haben mir gesagt, du wolltest von niemandem gestört werden.«
»Also, du hättest wirklich besser als jeder andere wissen müssen, wie erschöpft ich war. Aber jetzt bist du ja sowieso hier. Sag mir, wie geht es ihm?« fragte sie und wandte sich wieder dem Spiegel zu, um eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht zu streichen.
»Das Fieber sinkt. Er ist auf dem Weg der Besserung.«
»Na, siehst du«, sagte sie spitz zu mir. »Wir konnten ja doch nichts tun. Alles liegt in der Hand der Ärzte und der Krankenschwestern, und man muß auf die Wunder der Medizin vertrauen«, zwitscherte sie, als sei das alles eine nette kleine Gutenachtgeschichte gewesen.
»Er ist immer noch sehr krank«, sagte Tony, »aber der kritische Punkt ist überschritten.«
»Gott sei Dank. Essen wir jetzt zu Abend? Ich bin ganz ausgehungert.«
Tony sah mich kurz an. Mama ertappte ihn dabei.
»Was ist?«
»Ich war mit Leigh im Leone, während wir auf Neuigkeiten über Troy gewartet haben«, gestand Tony.
»Ihr beide habt gegessen? Ohne mich?« rief sie entrüstet aus.
»Du warst doch zu Hause und…«
»Das macht ja nichts«, sagte sie, und die Enttäuschung wich von ihrem Gesicht. »Laß mir durch die Dienstboten einfach etwas Leichtes raufbringen«, zwitscherte sie, und ihre Stimmungen wechselten so schnell, daß mir schwindlig davon wurde. »Ich fühle mich eigentlich gar nicht in der Verfassung, runterzukommen und mich an den Tisch zu setzen. Es wird mich mindestens noch einen Tag kosten, bis ich wieder ganz in Ordnung bin«, sagte sie, und es klang, als sei sie diejenige, die im Krankenhaus gewesen war, und als wäre sie nicht gerade von einer wunderbaren Hochzeitsreise aus Europa zurückgekommen.
»Gut«, sagte Tony. Er ging zu ihr und beugte sich vor, um sie zu küssen, doch sie wich ihm aus, als könne er ihr Haar in Unordnung bringen. Das war etwas, was sie oft getan hatte, wenn Daddy versucht hatte, sie zu küssen. Tony schien verlegen zu sein.
»Ich bin immer noch sehr müde«, sagte sie ausweichend. Er nickte und verließ eilig das Zimmer.
Sowie er die Tür hinter sich geschlossen hatte, bedeutete Mama mir, näherzukommen.
»O Leigh, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwierig alles gewesen ist.«
»Was denn?« Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Diese Tage mit einem Mann zu verbringen, der so jung und kräftig wie Tony ist. Er braucht nie einen Mittagsschlaf, und er ist im Nu angezogen«, sagte sie gereizt und neidisch zugleich. »Er muß eine besondere Gunst von dort oben erfahren haben.« Sie zog
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