Castello Christo
akzeptiert, dass ihr künftiges Leben sich in den Mauern des Anwesens abspielen würde.
Die wenigen Menschen, die sich im Laufe der Jahre indie einsame Steppenlandschaft verirrt hatten, waren davon überzeugt gewesen, eine Art Kloster vor sich zu haben, wenn sie an die Pforte klopften. Ab und zu war ein afrikanischer Beamter bei ihnen aufgetaucht, hatte sich ein wenig umgesehen und furchtbar wichtig getan. Dann war er wieder verschwunden in der Gewissheit, dass diese Weißen in den einfachen Kutten zwar etwas verrückt, aber harmlos waren und nur weit weg von Europa zufrieden in ihrer Sekte leben wollten: Sie bauten ihr Gemüse selbst an, buken ihr eigenes Brot und stellten ihren eigenen Ziegenkäse her. Der Abbas lachte innerlich. Wenn man die Vorstellungskraft eines afrikanischen Verwaltungsbeamten zugrunde legte ...
Vom Obersten hatte niemand etwas gewusst. Und auch nicht von dem seltsamen hageren Mann, der sie nur ein einziges Mal besucht hatte, gleich zu Anfang, kaum waren die letzten auserwählten Jungen aus Italien angekommen. Er glaubte damals herausgehört zu haben, dass der Mann Deutscher war. Sicher war er sich aber nicht. Jedenfalls war dieser Mann der einzige Mensch gewesen, vor dem sich augenscheinlich selbst der Oberste gefürchtet hatte. MAGUS hatte er den Mann genannt, den er unterwürfig über das Anwesen geführt und dem er die Zellen von einigen der Jungen gezeigt hatte. Wie lange das schon her war ...
Nach einem Blick auf die Uhr griff er zum Handy und wählte die Nummer des Obersten. Als abgehoben wurde, sagte er den Code, an dem der Oberste erkannte, dass niemand anders sich für ihn ausgab. Dann lauschte er den neuen Anweisungen, die der Mann aus Rom ihm gab.
Rom. Questura, Via San Vitale 15
29
»Ja, Daniele, ich werde es ihm ausrichten«, sagte Francesco Tissone und nickte dabei bekräftigend, als könnte Varotto ihn durch den Hörer sehen. Als er aufgelegt hatte, sah er zuerst den Beamten an, der entdeckt hatte, dass die beiden Toten am gleichen Tag geboren waren, und dann den blonden Deutschen.
»Commissario Varotto bittet Sie, herauszufinden, was für eine Bewandtnis es mit diesem 4. März hat. Er möchte wissen, ob dieser Tag eine wichtige Rolle im Kirchenjahr spielt.«
»Hat er das so gesagt?«, fragte Matthias, wobei er sich das Lachen kaum verkneifen konnte.
Tissone zögerte einen Moment, dann schüttelte er verlegen den Kopf. »Nein, nicht genau so.«
Matthias sah Tissone auffordernd an, bis der schließlich murmelte: »Sag diesem von Gott gesandten ›Experten‹, dass er mir bei meiner Rückkehr erklären soll, was es mit dem Datum auf sich hat. Wenn er das nicht kann, soll ihn der Teufel holen.«
Zu Tissones Überraschung wurde Matthias nicht wütend. Er nickte einfach nur, als hätte er gerade die Bestätigung für etwas bekommen, das er schon lange wusste, und sagte: »Spontan fällt mir nichts dazu ein, aber ich mache mich sofort auf den Weg in die Vatikanische Bibliothek. Richten Sie Commissario Varotto bitte aus, dass ich ihn anrufen werde.«
Damit wandte er sich ab und verließ den Einsatzraum der »Sonderkommission Judas«.
Noch während er die Marmortreppe hinunter ins Erdgeschoss ging, zog er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche und wählte die Nummer von Alicia Egostina. Alsdie Reporterin abhob, trat er gerade ins Freie und sah sich nach einem Taxi um.
»Hallo Alicia. Hier spricht Matthias. Störe ich?«
»Nein, ich bin gerade in der Redaktion und versuche im Internet etwas über diese seltsame Tätowierung herauszufinden. Gibt es etwas Neues?«
»Das kann man wohl sagen«, antwortete er und erzählte in wenigen Sätzen, was er Minuten zuvor erfahren hatte. Er konnte deutlich hören, wie sie die Luft einsog, als er das Geburtsdatum der beiden Männer erwähnte.
Als er seinen Bericht beendet hatte, sagte sie sachlich: »Die Mörder haben also ganz bewusst den Hinweis gegeben und spielen mit der Polizei.«
»Oder mit der Kirche«, vervollständigte Matthias, während er auf der anderen Seite der Leitung das typische Klicken einer Computertastatur vernahm. Offensichtlich gab sie etwas ein.
Nach einer kurzen Pause las sie leise vor: »U 2-Konzert in Philadelphia, Internationales Abkommen Costa Rica, Attaché für Arbeitsangelegenheiten in Paris ermordet . . .«
»Was zählen Sie da auf?«, fragte Matthias, der sich das freie Ohr zugehalten hatte, weil er sie fast nicht verstehen konnte.
»Ich habe das Datum in eine Suchmaschine eingegeben«,
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