Castillo der Versuchung
schenkte, die einer echten Braut gebührte. Dabei hätte sie alles für ein einziges Kompliment von ihm gegeben.
Jedoch wird ein Mann wie Antonio jemanden wie mich niemals für etwas Besonderes halten, dachte sie. Wahrscheinlich war es für ihn schon schwer genug, sie den ganzen Tag lang zu ertragen. Ihr Hals schmerzte, und sie schluckte tapfer. Doch es half nichts: Eine Träne löste sich, rollte über ihre Wange und fiel ins Glas.
„Sophie …“, stieß Antonio hervor.
„Lass mich in Ruhe!“ Sie sprang auf und eilte den Gang entlang ins Schlafabteil.
6. KAPITEL
Sophie erwachte erst, als sie spürte, dass jemand sie sanft, aber bestimmt an der Schulter berührte. Langsam öffnete sie ihre Augen, blickte in Antonios markantes Gesicht und spürte, wie ihr Mund trocken wurde. So sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr einfach nicht, sich von der magischen Wirkung freizumachen, die er auf sie hatte.
„Du solltest langsam aufstehen“, sagte er leise. „Wir landen in einer Viertelstunde. Hast du gut geschlafen?“
„Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass ich mich hingelegt habe“, gestand sie und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. „Ich bin ganz erstaunt, dass mich Lydia so lange hat schlafen lassen.“
„Ich habe mich um sie gekümmert“, erklärte Antonio und verließ die Kabine, bevor Sophie sich zu dieser überraschenden Neuigkeit äußern konnte. Als sie sich zehn Minuten später zu Antonio gesellte, schlief Lydia tief und fest in ihrem Kindersitz – ein sicheres Zeichen dafür, dass sie sich wohlfühlte.
„Bist du gut mit ihr klargekommen?“, fragte Sophie besorgt.
„Consuela vom Flugbegleitpersonal ist selber Mutter und hat mir geholfen, als Lydia etwas trinken wollte“, gestand Antonio. „Aber Lydia war auch ganz brav.“
„Danke.“ Sophie hielt den Blick auf ihre verschränkten Hände gerichtet. „Ich schulde dir eine Erklärung für vorhin.“
„Nein, ganz und gar nicht. Du hattest recht mit deinen Anschuldigungen, und es tut mir leid, dass ich es dir heute so schwer gemacht habe. Aber ich musste erst einmal mit der neuen Situation klarkommen.“
Wie selbstverständlich strich ihm Sophie tröstend über die Hand. „Natürlich warst du verbittert. Aber du bist doch auch nur ein Mensch. Bestimmt ist es schwer gewesen, mit einem Bruder wie Pablo klarzukommen, und dann gibt man dir auch noch die Verantwortung für seine Tochter.“
Sophie meinte es gut, aber das kam für Antonio und seine ohnehin schon strapazierten Nerven zu überraschend. Es war ihm schwergefallen, ihr seine Schuld einzugestehen. Dass sie jetzt auch noch Mitleid mit ihm hatte, war zu viel für seinen Stolz. „Ich würde mich immer für jedes Mitglied meiner Familie einsetzen. Loyalität meiner Familie gegenüber gebietet mir schon mein Ehrgefühl. Aber das verstehst du wohl nicht.“
„Wie kannst du nur so etwas behaupten?“, fragte Sophie verletzt. „Ich war Belinda gegenüber genauso loyal, wie du es deiner Familie gegenüber bist.“
Eine Stunde später fuhren sie in einer großen Limousine durch die andalusische Landschaft. Bis zu jenem Augenblick hatte Sophie jeden Versuch Antonios ignoriert, wieder eine Unterhaltung aufkommen zu lassen. Als er ihr etwas über Spaniens Geschichte erzählen wollte, sagte Sophie kurz angebunden: „Bemüh dich nicht! Kauf mir einfach ein Buch!“
Irgendwann wand sich die Landstraße zwischen silbrigen Olivenhainen hindurch, und Antonio erklärte, dass sie sich nun auf Familienbesitz befänden. Nach einer halben Ewigkeit, so kam es Sophie zumindest vor, wurden die Oliven durch Orangen abgelöst, und am Fuße einer bewaldeten Hügellandschaft erstreckte sich ein malerisches Dorf. Die Bewohner winkten ihnen zu, während die Limousine die schmale, gewundene Hauptstraße entlangfuhr.
Als sie durch einen dichten, immergrünen Wald kamen, brach Sophie ihr Schweigen. „Gehört das immer noch zu deinem Familienbesitz?“ Antonio nickte. Nach einer weiteren Kurve sah man zwischen den Bäumen hindurch ein altehrwürdiges Gebäude. Es war mit zahlreichen Türmen und Türmchen verziert und stand auf einer riesigen sattgrünen Lichtung. Sophie war sofort wie verzaubert.
„Was hältst du davon?“
Es war ihr peinlich, sich zu offenbaren, und so zuckte sie nur die Schultern und entgegnete kühl: „Wenigstens laufen wir uns da nicht alle fünf Minuten über den Weg.“
„Da magst du recht haben. Vielleicht hätte ich es schon früher erwähnen sollen, aber ich
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