Castle 2: Naked Heat - In der Hitze der Nacht (German Edition)
anzurufen), doch der ganze Artikel, so gut er sich auch entwickelte, fühlte sich wie ein Trommelwirbel an, dem am Ende der Tusch fehlte.
Genau wie Cassidy Townes Buch.
Er nahm die Fernsteuerung des Hubschraubers zur Hand, doch zwickende Schuldgefühle sorgten dafür, dass er sie neben seinen Laptop legte und stattdessen nach Cassidys unvollendetem Manuskript griff. Er zog von seinem Schreibtisch auf den Sessel neben dem kleinen Kamin um, auf dem einige Kerzen standen, und überflog den Text noch einmal. Er fragte sich, was er übersehen hatte. Auf welchen Knaller hatte sie hingearbeitet?
Der Geschichtenerzähler in ihm hatte das Gefühl, seine Leser zu betrügen, wenn er ein exklusives Porträt über Cassidy Towne einreichte, dessen Ende jedoch offen blieb. Fragen, so faszinierend sie auch sein mochten, befriedigten ihn nicht und würden auch nicht die Leser befriedigen, die er so sehr respektierte.
Das war der Moment, in dem er beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Er nahm sich einen nagelneuen Notizblock, fand einen Füllfederhalter, in dem noch etwas Tinte war, und ließ seinen Gedanken freien Lauf.
Was will ich?
Ein Ende für meinen Artikel finden.
Nein, das willst du nicht
. Was dann?
Du weißt es
. Ach ja?
Ja, du weißt es, du hast es nur noch nicht richtig formuliert
…
Jedes Mal wenn Rook diese schriftlichen Selbstgespräche führte, musste er daran denken, was passieren würde, falls jemand diese wirren Kritzeleien im Müll fände. Vermutlich würde ihn derjenige für einen Irren halten. Tatsächlich war es eine Methode, die er von einer fiktiven Figur aus einem Roman von Stephen King übernommen hatte, ein Schriftsteller, der sich selbst auf dem Papier verhörte, wann immer er mit einer Handlung nicht weiterkam. Da es in dem Roman wie eine ziemlich coole Methode zur Gedankenfindung wirkte, hatte Rook es selbst ausprobiert, und die Verbindung mit seinem Unterbewusstsein funktionierte so gut, dass er es nun immer dann anwandte, wenn er mit seinen Gedanken feststeckte und anders nicht mehr weiterkam. Es war so, als hätte man einen Co-Autor, der nicht am Gewinn beteiligt werden wollte.
…
Du konzentrierst dich auf das falsche Ziel
. Ich kenne mein Ziel. Es geht darum, ihren Mörder in dem Artikel zu benennen. Und Esteban Padillas. Und Derek Snows.
Du kennst den Mörder. Es ist der Texaner
. Das ist eine Formsache.
Stimmt, du willst denjenigen, der ihn angeheuert hat
. Soleil Gray?
Vielleicht, aber jetzt, da sie ebenfalls tot ist, bleibt das eine Vermutung
. Es sei denn …
Es sei denn?
Es sei denn, ich … Es sei denn, ich kann das letzte Kapitel finden.
Glückwunsch, du hast dein Ziel definiert
. Tatsächlich?
Pass gefälligst auf. Lies nicht deine Notizen, um nach Hinweisen auf den Mörder zu suchen. Oder auf denjenigen, der ihn angeheuert hat. Lies sie und suche nach Hinweisen darauf, was Cassidy Towne mit ihrem letzten Kapitel gemacht hat
. Was, wenn sie es noch gar nicht geschrieben hatte?
Dann bist du gearscht
. Danke.
Kein Problem
.
So wie immer führte ihn seine kleine Übung in gespaltener Persönlichkeitsstörung zu etwas Grundlegendem und Offensichtlichem, das er bisher übersehen hatte, weil es so selbstverständlich geworden war. Er hatte nach einer Person gesucht, obwohl er eigentlich einen Gegenstand benötigte – und dieser Gegenstand war das fehlende Kapitel von Cassidys Buch. Rook kehrte zu seinem Laptop zurück und öffnete das Worddokument mit den abgeschriebenen Notizen aus seinem Moleskine-Notizbuch. Er überflog es schnell und suchte dabei nach etwas, das ihm sofort ins Auge sprang. Während er die Notizen durchging, konnte er fast Nikkis Stimme hören, die ihn immer und immer wieder fragte: „Was hast du an dieser Frau beobachtet?“
Die qualitativen Dinge, wie ihr Bedürfnis nach Kontrolle und ihr Zwang, Macht auszuüben, waren Charaktereigenschaften, die man nicht ignorieren sollte, doch das führte ihn an kein bestimmtes Ziel. Also was wusste er noch über sie?
Cassidy hatte mit vielen Männern geschlafen. Er überlegte kurz, ob ihm einer in den Sinn kam, dem sie genug vertrauen würde, um ihm das letzte Kapitel zu überlassen, doch ihm fiel keiner ein. Das Verhältnis zu ihren Nachbarn wurde von Beschwerden und Kleinkriegen bestimmt, nicht von Vertrauen. Ihr Hausmeister war ein unterhaltsamer Kerl, der gute Arbeit leistete. Doch er strahlte etwas aus, das Rook vermuten ließ, dass er einem kleinen Diebstahl zu seinen Gunsten nicht abgeneigt wäre, daher hatte
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