Castle 3: Heat Rises - Kaltgestellt (German Edition)
würde, desto mehr verspüre er den Drang, etwas zu unternehmen. Etwas, um zu beweisen, dass er immer noch der Polizist sei, der er zu sein glaubte. Ich riet ihm, einen Scotch aufzumachen und den Wetterkanal einzuschalten, Hauptsache er würde den Kopf freibekommen. Da wurde er ungehalten und sagte, er hätte gedacht, dass gerade ich verstehen würde, wie wichtig es sei – er nannte es eine Pflicht –, die Sache in Ordnung zu bringen. Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, außer: Dann erzähl mal. Charles sagte, er habe nie geglaubt, dass es bei dem Mord um einen schiefgelaufenen Drogenhandel gegangen sei. Es passte nicht zu dem Opfer und dessen Anhängern, mit solch einfachen Leuten Geschäfte zu machen, schon gar nicht in diesem Teil der Stadt. Und ich erwiderte, was ich auch damals schon gesagt hatte: Drogen sind ein gefährliches Geschäft. Wenn sie dich nicht erledigen, werden die Händler es tun. Und dann erinnerte ich ihn an meine Meinung von damals: Wenn es kein schiefgelaufener Handel war, dann war es ein Aufnahmeritual einer Latino-Gang.“ Da war es wieder, dachte Nikki. Die Allerweltserklärung für nicht aufgeklärte Verbrechen. „Aber Charles meinte, er habe Hinweise darauf gefunden, dass es sich um einen geplanten Mord und eine Vertuschungsaktion gehandelt habe. Er sagte, er suche nach einem Rachemotiv. Wie dem auch sein mochte“, schloss er schulterzuckend, „was sollte man da tun? Man versucht sein Bestes und schaut nicht zurück. Zumindest habe ich das getan. Aber er war kein Mensch, der eine Sache unbeendet ließ.“ Seine Beherrschung versagte, und seine Lippe zitterte wieder. „Ich weiß nicht, vielleicht hat ihm diese Einstellung den Rest gegeben.“
„Dieser Fall“, sagte Nikki. „Der, der ihn so sehr beschäftigte, welcher war das?“ Doch sie kannte die Antwort bereits, bevor sie die Frage gestellt hatte.
„Der Huddleston-Junge“, erwiderte Eddie.
FÜNFZEHN
Wenn Nikki schon keinen Zugriff auf die Huddleston-Akte haben konnte, würde sie eben mit der nächstbesten Option vorliebnehmen. Sie bat Eddie Hawthorne, ihr alles über den Fall zu erzählen. Der ehemalige Detective lehnte sich auf seinem Plastikstuhl zurück, und als sein Kopf den Schatten des Sonnenschirms verließ, ließ das Sonnenlicht sein schwarz gefärbtes Haar lilafarben erscheinen. Seine Augen zuckten hin und her, als ob er seine Erinnerungen durchsuchen würde. Er atmete geräuschvoll aus und bereitete sich auf diese unerwartete, schwere Aufgabe vor. „Das war 2004“, sagte er. „Charles und ich arbeiteten für das Morddezernat des 41. Reviers und bekamen eine Meldung über ein Schussopfer in einem Wagen drüben in Longwood. Dieser Bereich war so was wie die Hauptstadt der Junkies, wissen Sie? Unter den Officers ging deswegen schon ein Witz um: Erwische einen Täter mit deinem Gummiknüppel, und die Crack-Ampullen fallen aus ihm heraus wie aus einer Piñata. Jedenfalls fuhren Charles und ich los und dachten uns, dass es nur wieder ein gewöhnlicher Drogenmord war.
Als wir uns dem Tatort näherten und den Wagen sahen, wurden wir allerdings schnell eines Besseren belehrt. Die einzigen BMWs in dieser Gegend gehörten den Drogenhändlern, und wir kannten jeden einzelnen von ihnen. Also bereiteten wir uns darauf vor, uns das Opfer anzusehen, und dachten, es würde sich sicher um irgendeinen Burschen aus Rye oder Greenwich handeln, der einmal zu oft
Scarface
gesehen und den Fehler gemacht hatte, in die große Stadt zu kommen, um seinen pharmazeutischen Zwischenhändler zu umgehen. Als wir die Leiche sahen, stellten wir fest, dass das Profil stimmte. Frühe Zwanziger, teure Kleidung, eine Green-Day-CD, die immer noch in voller Lautstärke in einer Endlosschleife über die sonderangefertigte Anlage lief. Doch dann wurde die Sache ein wenig brisanter, als Montrose plötzlich sagte, dass er den Jungen kenne. Nicht persönlich, sondern aus dem Fernsehen. Sowohl seine Brieftasche als auch sein Führerschein wiesen ihn als Eugene Huddleston jr. aus, den Sohn des Filmstars, und dann wurde uns plötzlich alles klar. Er war wegen seiner Drogengeschichten überall in den Nachrichten, besonders bei
Access
und
Entertainment Tonight
. Nicht so heftig wie bei Charlie Sheen, aber genug, dass ich und mein Partner eine Vorstellung davon hatten, was passiert war. Und warum sollte es keinen Sinn ergeben?“ Eddies Frage war nicht rein rhetorisch. Nikki erkannte, dass er ihr Verständnis suchte. Sie zuckte leicht mit den
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