Cataneo - Der Weg Splendors (German Edition)
Die ganze Stadt sollte wissen, dass sie es gewesen waren, die das Ding gefangen hatten. Sie führten Morris zu der Mauer, wo einige der Wachmänner die Kreatur an den kalten Stein drückten, um es nicht entkommen zu lassen. Schon als Morris näher kam, schlug sein Herz schneller. Es pochte wie nie zuvor.
Die Wand war in Schatten getaucht, aber Morris ging so nahe heran, dass er Es schließlich sehen konnte. Die Kreatur bot ihm einen unbeschreiblichen Anblick. Einerseits löste sie in Morris Gefühle der Ehrfurcht aus, doch andererseits auch ein wenig Wehmut. Nun würde der Frieden auf Cataneo also nach all den unzähligen Jahren ein Ende nehmen. War ihnen diese Kreatur wirklich von den Gottheiten gesandt worden, um sie vor dem Schlimmsten zu bewahren? Oder ging etwas Schreckliches vor sich und vor ihm stand der Erste seiner zukünftigen Feinde?
Morris blickte in das finstere Gesicht des Wesens. Ein Dämon mit blutroten Augen, starken Beinen und Krallen, mit denen er ohne Probleme hätte die Mauer emporsteigen können. Auf dem Rücken trug er schwarze Flügel. Doch ob dieser damit auch zu fliegen vermochte? Morris trat noch näher heran und stand ihm von Angesicht zu Angesicht, als er seinen Männern befahl, den Dämon loszulassen. Das Wesen rührte sich nicht, erwiderte aber die aufmerksamen Blicke des Hauptmanns. Einer der Wachen trat zum Hauptmann und deutete auf ein Dach, das nur einige Häuser entfernt lag. In der Dunkelheit erkannte man noch mehr Dämonen, die dem Treiben interessiert zu folgen schienen. Keiner der Wachmänner wusste, womit sie es zu tun hatten, selbst ihr Hauptmann nicht und so beschlossen sie, die Kreaturen vorerst in Ruhe zu lassen. Langsam, Schritt für Schritt, entfernten sie sich rückwärtsgehend. Sie befürchteten, dass die Situation aus irgendeinem unvorsehbaren Grund außer Kontrolle geraten könnte und handelten deshalb so vorsichtig. Erst als die Geschöpfe aus ihrem Blickfeld verschwunden waren, wandten sich die Männer ab, um eilig den Rückweg einzuschlagen.
Schweigend gingen sie nebeneinander her. Es war eine bedrückende Stille, die aus der Angst jedes Einzelnen bestand. Diese dämononartigen Wesen hatten einen gewaltigen Eindruck hinterlassen. Der Körperbau dieser Kreaturen schien so stark und robust, dass kein einziger Wachmann es allein gewagt hätte, sich gegen diese Monster zu stellen. Nur im Schutz der Gruppe hatte der Mann all seinen Mut zusammen genommen und den Dämon an der Flucht gehindert. Als sie in ihren Quartieren waren und Morris sich etwas ausruhen wollte, konnte er die Augen des Dämons nicht vergessen. Er schien keine Angst gehabt zu haben. Völlig leer war sein Blick gewesen. Morris graute der Gedanke, dass diese Wesen vielleicht gar nicht ihrer Rettung dienen würden. Möglicherweise waren sie aus einem ganz anderen Grund erschienen.
DAS SCHWARZE BUCH
Der nächste Morgen brachte erneut eine ungewöhnliche Kälte. Dichte Wolkendecken lagen über der Stadt und nur wenige Sonnenstrahlen durchbrachen die dunkle Front. Noch immer waren die Bewohner Zitelias verängstigt, die Boten von König Carus hatten verkündigt, dass alle äußerst vorsichtig sein sollten. Morris verhängte eine Ausgangssperre, die besagte, dass keiner nach Sonnenuntergang sein Haus verlassen durfte. Es sollte kein Risiko eingegangen werden, solange sie nicht mehr über die Dämonen wussten.
Der Marktplatz der Stadt schien an diesem Morgen wie ausgestorben. Kaum einer wagte sich aus seinem Heim. Keiner der Einwohner Zitelias hatte jemals eine Zeit ohne Frieden erlebt. Die Pakte ihrer Könige versprachen ihnen Schutz. Was auch immer dort in ihren Straßen vor sich ging, sie beteten, dass es sich dabei um irgendeinen Irrsinn, ein Missverständnis handelte, auf dass sie ihr Leben fortsetzen konnten, so wie sie es kannten, unbeschwert und ohne Angst.
Doch nicht alle konnten sich zurückziehen und darauf hoffen, dass dieser Schrecken ganz von allein ein Ende nahm. Einer von ihnen war Morris. Er lief schnellen Schrittes durch die Straßen auf den Obscura-Tempel der Stadt zu. Energisch klopfte er an die massive Eingangstür. Er war nervös und hoffte, hier Antworten zu finden. Im Tempel hallte das Klopfen dumpf durch die Gänge. Die dreizehn Priester im Inneren blickten sich verwundert an, denn keiner von ihnen hatte jemanden erwartet. Normalerweise wurde der Obscura-Tempel von den Bewohnern Zitelias nur zur Gebetszeit betreten. Doch selbst in diesen Heiligen Stunden waren die Hallen der
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