Cataneo - Der Weg Splendors (German Edition)
Failon zufällig auf dem Weg entdeckt und ihm in die Hand gedrückt hatte. Auch Failon war erschöpft gewesen, als sie schließlich den Wald erreicht hatten. Dennoch hatte es ihn gefreut zu sehen, wie langsam wieder Leben in die Augen seines Freundes gekommen war. Die erschreckenden Bilder der Visionen schienen Xeroi losgelassen zu haben.
Ihn hatte sogar der Anblick der letzten Sonnenstrahlen erfreut, die durch die dichten Baumkronen gefallen waren. Kurz bevor sie sich zur Nachtruhe gelegt hatten, hatten sie gemeinsam beschlossen, nicht vor der Mittagszeit des nächsten Tages weiterzuziehen. So hätten sie noch Gelegenheit, Nahrung zu suchen für den restlichen Weg ihrer Reise und neue Kraft zu sammeln, hatten sie überlegt. Doch nun lagen sie da mit offenen Augen und fanden keinen Schlaf. Und ohne Schlaf auch keine Erholung. Unruhig wälzten sie sich hin und her. Irgendwann setzte sich Xeroi auf und rief leise den Namen seines Freundes. Failon seufzte und setzte sich ebenfalls auf. »Da wohl erst mal nicht an Schlaf zu denken ist, lasst uns ein wenig plaudern«, schlug er vor. »Erzählt mir doch mal von dem Ort, an dem Ihr geboren worden seid. Ich war noch nie in den Sandar-Sümpfen. Wie sieht es da aus?«
Xerois Augen begannen zu leuchten, als er anfing von der Heimat der Sandari zu erzählen. Failon lauschte der Stimme seines Freundes und entspannte sich nach und nach. Irgendwann gähnte er heimlich, machte es sich bequem und noch bevor er wusste, wie ihm geschah, war er bereits eingeschlafen. Xeroi lächelte und legte sich ebenfalls nieder. Mit den Bildern seiner Kindheit vor Augen dauerte es nicht mehr lange, bis auch ihn endlich der Schlaf übermannte.
Die Sonne war schon längst aufgegangen, als die beiden Freunde erwachten. Sofort machten sie sich daran, Vorräte für ihre letzte Wegstrecke zu sammeln. Während der Obscura einige Beeren von den umliegenden Sträuchern abzupfte, fiel der Blick seines Freundes nachdenklich auf ihn. »Ihr habt mein Gesicht oft unverhüllt gesehen, dennoch bereitet Euch der Anblick kein Gräuel. Ich habe mich oft gefragt, was Ihr hinter Eurer Kutte verbergt«, sagte der Sandari.
Failon griff stumm nach den nächsten Beeren.
»Ganz gleich, was es ist, mein Freund, ich könnte mich vor Eurem Anblick niemals fürchten«, fügte Xeroi leise hinzu.
Die blasse Hand des Obscura ließ die Waldbeeren in einen kleinen Lederbeutel fallen, den die beiden in dem Haus ihres Wiedersehens gefunden hatten. Nach einem kurzen Augenblick der Stille entschloss sich Failon, ihm eine Antwort zu geben, denn er hatte das Gefühl, als sei er ihm dies schuldig. Oft hatte der Sandari sich vor ihm enthüllt und sein vernarbtes Gesicht entblößt, wenn er sich schlafen legte – ein Zeichen des Vertrauens. Failon wusste, dass ihm das immer schwer fiel und schätzte seinen Freund für dessen Kraft. Der Anblick Xerois war wahrlich kein angenehmer, denn er war so furchtbar entstellt, dass es erschreckend war, ihn so zu sehen, dennoch verlor er dadurch nichts von seiner Güte und Aufrichtigkeit. Er war ein freundliches Wesen, das die Beschimpfungen und Verachtung anderer nicht verdient hatte. Dies wissend griff der Obscura nach der Hand des Sandaris. »Seht nur, Xeroi. Die Finger sind knochig und blass.«
Xeroi musterte die Hände seines Freundes.
»Unter dieser Kutte verbergen wir weit Schlimmeres. Das Böse selbst. Es lauert unter ihr und es wäre wahrlich keine Freude, Euch dies zu zeigen. Wir schützen mit unserer Verhüllung nicht nur uns , weil wir fürchten, was andere Geschöpfe sagen könnten, sondern wir schützen ebenfalls Euch , weil wir wissen, dass dieser Anblick mehr als erschreckend ist.« Dann glitten die Hände des Obscuras langsam von denen des Sandaris und griffen erneut nach seinem Lederbeutel. Xeroi dachte, das Thema sei beendet, denn Failon schien nicht weiter darüber sprechen zu wollen, doch plötzlich ergriff er wieder das Wort. »Wisst Ihr was, Xeroi? Die Geschöpfe Cataneos sollten erkennen, dass man Güte nicht im Angesicht seines Gegenübers erkennt. Die Boshaftigkeit kann ebenso in einem zauberhaften Wesen lauern, wie in einem, das ebenso grausam aussieht wie es innerlich ist. Es ist eine Bürde, die sie uns auferlegt haben! Mein Volk hat vor vielen Hunderten von Jahren einen anderen Weg gewählt als unser finsterer Schöpfer geplant hatte. Jeder ist zu erschreckenden Dingen fähig! Dennoch glauben sie, uns nur ansehen zu müssen, um in uns hinein zu sehen!« Sichtlich
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