Cataneo - Der Weg Splendors (German Edition)
dieses Verhalten fremd. Sie spürte Hass und Zorn, doch sie ging kontrollierter mit diesen Emotionen um. Diese dunklen Gefühle hatten mehr Einfluss auf sie, als ihr lieb war, dennoch war sie fähig, diese in Zaum zu halten. Azur leider nicht. Die tiefen Striemen auf ihrem Körper würden ewig daran erinnern. Ihre Finger tasteten die verwundeten Stellen ab. Es war schmerzvoll, doch es verlangte sie danach zu wissen, wie sehr er sie gezeichnet hatte.
Mit jeder weiteren Wunde, die sie vorsichtig befühlte, begriff sie die Schwere seiner Tat. Tränen stiegen ihr in die Augen und ein Gefühl der Demütigung ergriff sie. Wie hatte er nur soweit gehen können? Wieso hatte er ihr nicht, wie die Dämonen vor ihm, einige kräftige Schläge ins Gesicht verpasst? Die tiefen Narben würden sie für immer an Azur erinnern. Dabei schien er oft ebenso wie sie »anders« zu sein. In der Zeit, in der er sie nur beobachtet hatte, war er stets zurückhaltend gewesen. Sie hatte sich beinahe umworben gefühlt und diese ungewohnte Zuneigung hatte ihr gefallen. Indyrah hatte diese Fähigkeit sehr an ihm bewundert.
Daher war sie unglaublich verängstigt gewesen, als er nach ihrer Hand gegriffen hatte. Sie war in jenem Moment nicht länger die, die er nur aus der Ferne betrachtete und mit den Blicken verschlang. Er hatte eine Grenze überschritten. Plötzlich war sie für ihn nur eine weitere Dämonin gewesen, die sich ihm unterordnen sollte. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet.
Sie fühlte sich wieder einmal schwach gegenüber einem stärkeren Dämon, der sie besitzen wollte. Und dieses Gefühl, schwach zu sein, hasste sie ebenso wie das Gefühl anders zu sein als die anderen. Dieser Hass, der sich gegen sie selbst richtete, brach mit voller Kraft aus ihr heraus. Wäre sie nur nicht immer so eigen! Wäre sie nur willig mit ihm gegangen! Doch sie hatte sich anders entschieden. Und nun musste sie damit leben. Nur konnte sie Azur jetzt erst einmal nicht mehr in die Augen sehen. Um dem zu entgehen beschloss sie, einen Teil der Brut abzuziehen und Richtung Osten zu führen. So konnte sie den Dämonen einen Vorsprung verschaffen und sich selbst der beklemmenden Nähe Azurs entziehen. Der Plan der Brut Vortex’ war es, noch weitere Dörfer einzunehmen. Und dieses Vorhaben kam Indyrah gerade Recht.
Als die Nacht hereinbrach und sich die leeren Straßen in Schatten hüllten, trat Indyrah vorsichtig vor die Tür. Ihr Blick wanderte über die Umgebung. Die Stadt hatte sich seit der Ankunft der Dämonen verändert. Sie schien nun kalt und reglos. Ihr erschien es wie ein Blick in einen Spiegel.
Sie war ein Monster.
Sie und die anderen der Brut hatten einen Ort des Friedens und der Freude in eine trostlose Leere verwandelt. Dieser Ort war für immer verloren. Er würde fortan ebenso wie die Brut des Vortex’ in der Finsternis leben.
Sie atmete tief ein und sammelte sich kurz.
»Ihr seid vorsichtig«, ertönte es plötzlich aus einem der Schatten.
Die Dämonin zuckte kurz zusammen, als sie erkannte, wer sie angesprochen hatte. Es war einer der ältesten Kriegerdämonen. Er war ihr Führer. Er hatte ihr die Befehlsgewalt über zwei Dutzend Männer der Brut gegeben. Sie sollte die Stadt einnehmen und das hatte sie auch. Jetzt lebten Hunderte von ihnen hier, und auch wenn er es nie gesagt hatte, Indyrah wusste, dass er stolz auf sie war.
»Dazu habe ich auch allen Grund. Ich habe Azur aus den Orkhöhlen befreit und Tachals Zorn zu verantworten.«
»Das ist es nicht. Ich weiß, dass Ihr Euch nicht vor einem Ork fürchten würdet. Ihr wisst, dass ich Euch nicht dorthin geschickt hätte, wenn Ihr so schwach wäret, wie Ihr vorgebt.«
Sie sah ihn fragend an. Sie wollte es nicht aussprechen und hoffte, dass auch er dies nicht tun würde.
»Er ist Führer der Orks und der Letifer. Die ganze Welt fürchtet sich vor ihm. Ich habe guten Grund, vorsichtig zu sein, Meister.«
»Wie Ihr meint«, sagte er beinahe nachgiebig. »Begebt Euch nun bitte zum Hexer Gerus. Er ist etwas wirr, aber er kann Eure Wunden behandeln.«
Indyrah nickte beschämt. Er wusste allem Anschein nach genau, was geschehen war. Alle wussten es. Ebenso wie sie ahnten, dass sie die Stadt nur aus diesem Grund verlassen wollte.
Sie machte sich gehorsam auf den Weg und versuchte nicht an Azur, noch an ihr Vorhaben, dieser Stadt zu entfliehen, zu denken. Oft erwischte sie sich jedoch dabei, wie sie sich umblickte und zwanghaft die Gegend absuchte. Dabei wollte sie auf keinen Fall
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