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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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zwängen konnte, vor sich her getrieben.
    Nately war verlegen und ratlos. Sein eigenes Mädchen hatte sich ungraziös auf ein Sofa geflegelt und machte dort eine träge, gelangweilte Miene. Diese schlaffe Gleichgültigkeit, die sie ihm bewies, die gleiche schläfrige, faule, abweisende Haltung, deren er sich so lebhaft, so süß und so jammervoll von ihrem ersten Zusammentreffen am dichtbesetzten Kartentisch in der Mannschaftswohnung erinnerte, nahm Nately allen Mut. Ihr schlaffer Mund stand offen und bildete ein perfektes O, und nur Gott wußte, worauf ihre glasigen, getrübten Augen so tierisch stumpf starrten. Der alte Mann wartete ruhig und beobachtete ihn mit dem tiefblickenden Lächeln, das sowohl verächtlich als auch teilnehmend war. Ein schlankes, blondes, kurvenreiches Mädchen mit herrlichen Beinen und honigfarbener Haut machte es sich auf der Lehne des Sessels des alten Mannes bequem, und begann sein eckiges, bleiches, verlebtes Gesicht träge und kokett zu tätscheln.
    Der Anblick von soviel Unzüchtigkeit in einem so alten Mann ließ Nately vor Abneigung und Feindseligkeit erstarren. Er wandte sich mit sinkendem Herzen weg und fragte sich, warum er nicht einfach sein Mädchen bei der Hand nähme und ins Bett ginge.
    Der schmutzige, geierhafte, teuflische alte Mann erinnerte Nately an seinen Vater, weil die beiden sich in nichts ähnelten. Natelys Vater war ein höflicher, weißhaariger Herr, der sich tadellos kleidete; dieser alte Mann war ein unkultivierter Landstreicher. Natelys Vater war ein nüchterner, verantwortungsbewußter Mann von philosophischen Neigungen; dieser alte Mann war wankelmütig und ausschweifend. Natelys Vater war diskret und kultiviert; dieser alte Mann war ein ungehobelter Klotz. Natelys Vater glaubte an Rechtschaffenheit und wußte auf alles eine Antwort; dieser alte Mann glaubte an gar nichts und harte nur Fragen vorzubringen. Natelys Vater trug einen distinguierten weißen Schnurrbart; dieser alte Mann hatte überhaupt keinen Schnurrbart. Natelys Vater — und jeder andere Nately bekannte Vater — war würdevoll, weise und verehrenswert; dieser alte Mann war äußerst abstoßend, und Nately warf sich von neuem in die Debatte, entschlossen, jener bösartigen Logik und jenen Anspielungen einen hochherzigen Widerstand entgegenzusetzen, der die Aufmerksamkeit des teilnahmslosen, trägen Mädchens, in das er so heftig verliebt war, erregen, ihm ihre dauernde Bewunderung eintragen sollte.
    »Nun, offen gestanden weiß ich nicht, wie lange Amerika bestehen wird«, setzte er die Unterhaltung unerschrocken fort. »Ich nehme an, wir können nicht in alle Ewigkeit dauern, da es dem ganzen Planeten bestimmt ist, eines Tages vernichtet zu werden. Aber ich weiß gewiß, daß wir noch lange, lange siegreich überleben werden.«
    »Wie lange?« neckte ihn der ordinäre alte Mann, ein boshaft erheitertes Funkeln in den Augen. »Wohl nicht ganz so lange wie der Frosch?«
    »Viel länger jedenfalls als Sie oder ich«, brachte Nately lahm heraus.
    »Ach, ist das alles! Das wird nicht mehr sehr lange sein, wenn man bedenkt, wie leichtgläubig und tapfer Sie sind, und wie sehr, sehr alt ich bereits bin.«
    »Wie alt sind Sie?« fragte Nately, der sich von dem alten Mann ganz gegen seinen Willen angezogen und bezaubert fühlte.
    »Einhundertundsieben Jahre.« Der alte Mann lachte herzlich als er sah, welch „verdrossenes Gesicht Nately machte. »Ich merke schon, auch das glauben Sie mir nicht.«
    »Ich glaube nichts von allem, was Sie mir erzählen«, erwiderte Nately und lächelte schüchtern und besänftigend. »Das einzige, was ich glaube, ist, daß Amerika den Krieg gewinnen wird.«
    »Sie legen so großen Wert darauf, Kriege zu gewinnen«, versetzte der lasterhafte, schlampige alte Mann verächtlich. »Das eigentliche Kunststück besteht im Verlieren von Kriegen, besteht darin zu erkennen, welcher Krieg verloren werden darf. Italien hat jahrhundertelang Kriege verloren, und Sie wissen, daß wir uns dabei prächtig befunden haben. Frankreich gewinnt seine Kriege und ist fortwährend im Zustand der Krise. Deutschland verliert und wird reich dabei. Betrachten Sie unsere jüngste Vergangenheit. Italien hat in Abessinien einen Krieg gewonnen und geriet denn auch prompt in die größten Schwierigkeiten. Der Sieg hat uns in einen so törichten Größenwahn versetzt, daß wir dabei geholfen haben, einen Weltkrieg zu entfesseln, in dem zu siegen für uns auch nicht die geringste Aussicht bestand.

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