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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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machte, hatte er nicht gelernt, da man ihn nie in die Nähe solcher Leute gelassen hatte. Soweit er sich erinnern konnte, hatten sich in den Häusern seiner Eltern in Philadelphia, New York, Maine, Palmbeach, Southampton, London, Deauville, Paris und Südfrankreich immer nur Damen und Herren gedrängt, die weder zudringlich noch Emporkömmlinge waren. Natelys Mutter war eine geborene Thornton aus Neu-England und eine Tochter der Amerikanischen Revolution. Sein Vater war ein zwanzigkarätiger Hurensohn.
    »Vergiß nie«, hatte seine Mutter ihm immer wieder eingeschärft, »daß du ein Nately bist. Du bist weder ein Vanderbilt, deren Vermögen auf einen ordinären Schleppdampferkapitän zurückgeht, noch bist du ein Rockefeller, deren Reichtum durch gewissenlose Spekulation in ungereinigtem Erdöl zusammengescharrt wurde; du bist auch kein Reynolds oder Duke, die reich geworden sind, indem sie der arglosen Bevölkerung Erzeugnisse verkauft haben, die krebsfördernde Teere und Harze enthalten, und ganz gewiß bist du kein Astor, die, soweit mir bekannt ist, immer noch Zimmer vermieten. Du bist ein Nately, und die Natelys haben für ihren Reichtum nie auch nur einen Finger gerührt.«
    »Deine Mutter will damit sagen«, warf hier sein Vater umgänglich ein und gab eine Probe seines Talents, den hübschen und treffenden Ausdruck zu finden, das Nately so an ihm bewunderte, »daß alter Reichtum besser ist als neuer Reichtum, und daß die Neureichen längst nicht so geachtet werden dürfen wie die kürzlich Verarmten. Nicht wahr, meine Liebe?«
    Natelys Vater war stets voll von solch weisen und wohlklingenden Sprüchen. Sein Gesicht strahlte rötlich wie Glühwein, und Nately mochte ihn sehr gerne, wenn er auch keinen Glühwein mochte. Bei Kriegsausbruch beschloß die Familie, daß Nately sich freiwillig zum Militärdienst melden solle, weil er noch zu jung war, um in den diplomatischen Dienst zu gehen, und sein Vater aus bester Quelle erfahren hatte, daß Rußland innerhalb weniger Wochen, höchstens Monate, kapitulieren werde, worauf dann Hitler, Churchill, Roosevelt, Mussolini, Gandhi, Franco, Peron und der Kaiser von Japan einen Friedensvertrag unterzeichnen und vergnügt und munter immer so fort leben würden. Natelys Vater hatte vorgeschlagen, er möge der Luftwaffe beitreten, wo er ungefährdet die Ausbildung absolvieren könne, während die Russen kapitulierten und die Einzelheiten des Waffenstillstandes festgelegt würden, und wo er als Offizier nur mit wirklichen Gentlemen Umgang haben würde.
    Statt dessen befand er sich in Gesellschaft von Yossarián, Dunbar und Hungry Joe in einem Bordell in Rom, war verliebt in ein Mädchen, dem er gleichgültig war und mit dem er sich endlich nach der Nacht, die er allein im Wohnzimmer verbracht hatte, hinlegte, doch nur um fast sogleich von deren unverbesserlicher jüngerer Schwester gestört zu werden, die ohne zu klopfen ins Zimmer stürmte und sich eifersüchtig auf das Bett warf, um sich ebenfalls von Nately umarmen zu lassen. Natelys Hure sprang knurrend aus dem Bett, riß sie an den Haaren hoch und prügelte sie. Das zwölfjährige Mädchen kam Nately vor wie ein gerupftes Huhn oder ein geschälter Zweig. Der knospende Körper, der frühreif die Erwachsenen imitierte, brachte jedermann in Verlegenheit, und sie wurde dauernd davongejagt, sollte sich anziehen, an die frische Luft gehen, und mit den anderen Kindern auf der Straße spielen. Die Schwestern brüllten einander an, geiferten und spuckten und veranstalteten einen so geläufigen, ohrenzerreißenden Lärm, daß das Zimmer bald von Zuschauern wimmelte, die sich königlich amüsierten. Nately war am Ende und gab auf. Er bat sein Mädchen, sich anzuziehen, und führte es zum Frühstück. Schwesterchen zuckelte hinterdrein, und als alle drei auf der Terrasse eines nahen, gutbürgerlichen Cafés Platz genommen hatten, kam er sich vor wie ein stolzes Familienoberhaupt. Doch als es Zeit war, heimzukehren, langweilte sich Natelys Hure bereits. Sie wolle nicht länger bei ihm bleiben, sondern lieber in Gesellschaft zweier Mädchen auf den Strich gehen. Nately folgte mit Schwesterchen in mäßigem Abstand, das ehrgeizige Kind in der Absicht, das Handwerk gründlich zu erlernen, Nately um sich frustriert zu Tode zu grämen, und beide sahen kummervoll zu, als die Mädchen von Soldaten aus einem Wagen heraus angesprochen wurden und mit ihnen davonfuhren.
    Nately kehrte in das Cafe zurück und traktierte Schwesterchen mit

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