Catch 22
nicht die kleinste Menge loswerden«, ächzte er.
Yossarián blieb gleichermaßen unbeeindruckt von der bombastischen Bestattungszeremonie wie von Milos herzzerbrechenden Verlusten. Die Stimme des Kaplans schwebte aus der Entfernung dünn, eintönig, unverständlich und fast unhörbar herauf, wie entweichendes Gas. Yossarián erkannte Major Major, der baumlang, schlaksig und unbeteiligt dastand, und glaubte zu sehen, daß Major Danby sich den Schweiß mit einem Taschentuch von der Stirn wischte. Major Danby hatte seit seinem Zusammenstoß mit General Dreedle nicht aufgehört zu zittern. Mannschaften umringten die drei wie Holzklötze unbeweglich stehenden Offiziere, und vier untätige Totengräber in beschmutztem Drillich lehnten gleichgültig auf ihren Spaten nahe dem Entsetzen einflößenden Haufen frisch ausgehobener kupferroter Erde. Während Yossarián dieses Bild anstarrte, hob der Kaplan beseligt den, Blick zu Yossarián, preßte wie von einer Heimsuchung betroffen die Finger an die Augen, blinzelte forschend noch einmal zu Yossarián auf und beugte dann den Kopf, um, wie Yossarián glaubte, den Höhepunkt der Bestattungsriten zu markieren. Die vier Männer im Drillich schoben den Sarg in zwei Schlingen und senkten ihn ins Grab. Milo erschauerte heftig.
»Ich kann es nicht mitansehen«, rief er und wandte sich gepeinigt ab.
»Ich kann einfach nicht hier sitzen und zusehen, wie diese Messelumpen mein Syndikat zugrunde gehen lassen.« Er knirschte mit den Zähnen und bewegte, von Schmerz und Haß zerrissen, das Haupt. »Wenn sie auch nur die Spur loyal wären, kauften sie meine Baumwolle, bis sie ihnen aus den Ohren quillt, damit sie noch mehr Baumwolle kaufen können, bis sie ihnen auch aus der Nase quillt. Scheiterhaufen sollten sie errichten und ihre Sommeruniformen samt der Unterwäsche verbrennen, um endlich für Nachfrage zu sorgen. Aber sie wollen keinen Finger rühren. Bitte Yossarián, versuche doch, mir zuliebe den Rest von dieser Baumwolle mit Schokoladenüberzug zu essen, vielleicht schmeckt sie dir jetzt köstlich.«
Yossarián stieß Milos Hand weg. »Laß das endlich, Milo. Menschen können keine Baumwolle essen.«
Milos Augen verengten sich schlau. »Es ist in Wirklichkeit gar keine Baumwolle«, schmeichelte er. »Ich habe nur gescherzt. In Wirklichkeit ist es gesponnener Zucker, köstlicher gesponnener Zucker. Versuch mal.«
»Jetzt lügst du!«
»Ich lüge nie!« verschwor sich Milo würdevoll.
»Du lügst schon wieder.«
»Ich lüge nur, wenn es sein muß«, erklärte Milo entschuldigend, wandte die Augen ab und klapperte gewinnend mit den Wimpern. »Dieses Zeug ist besser als gesponnener Zucker, wirklich.
Es ist ja echte Baumwolle. Yossarián, du mußt mir helfen, dafür zu sorgen, daß es gegessen wird. Ägyptische Baumwolle ist die beste Baumwolle der Welt.«
»Aber sie ist unverdaulich«, sagte Yossarián. »Die Leute werden krank davon, verstehst du das nicht? Warum versuchst du nicht, dich ein Weilchen davon zu ernähren, wenn du mir nicht glaubst?«
»Ich habe es ja versucht, und es ist mir übel geworden davon.«
Der Friedhof war gelb wie Heu und grün wie gekochter Kohl.
Nach einem Weilchen trat der Kaplan zurück, und die halbmondförmige Ansammlung menschlicher Gestalten löste sich langsam voneinander wie treibendes Strandgut. Die Männer trollten sich ohne Hast und geräuschlos zu den Fahrzeugen, die auf dem holprigen Feldweg warteten. Mit hängenden Köpfen bewegten sich der Kaplan, Major Major und Major Danby in einer gemiedenen Gruppe zu ihren Jeeps, wobei sich jeder freundlos einige Schritte von den anderen entfernt hielt.
»Jetzt ist es vorbei«, bemerkte Yossarián.
»jetzt ist das Ende da«, stimmte Milo verzweifelt zu. »Jetzt ist keine Hoffnung mehr. Und alles nur, weil ich meinen Kunden stets die Freiheit der eigenen Wahl gelassen habe. Das soll mir eine Lehre sein, falls ich wieder einmal etwas Ähnliches unternehme.«
»Warum verkaufst du deine Baumwolle nicht an den Staat?«
schlug Yossarián beiläufig vor, während er zusah, wie die vier Männer im schmutzigen Drillich die kupferfarbige Erde schaufelweise ins Grab beförderten.
Milo lehnte diesen Vorschlag schroff ab. »Das ist eine Frage des Prinzips«, erklärte er fest. »Der Staat hat im Geschäftsleben nichts zu suchen, und ich wäre der letzte, der versuchen würde, den Staat in irgendeines meiner Geschäfte hineinzuziehen. Allerdings ist das Geschäft der Regierung das Geschäft«,
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