Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
Vom Netzwerk:
festhalten würden. Er verstand, mit dem Lötkolben umzugehen, und konnte zwei Bretter so zusammennageln, daß weder die Bretter platzten noch die Nägel sich krümmten. Er verstand es, Löcher zu bohren. Während Yossariáns Abwesenheit im Lazarett hatte er im Zelt viele Verbesserungen angebracht. Er hatte in den Zementfußboden eine kleine Rinne gehackt oder geritzt, so daß die Heizölleitung glatt mit dem Boden abschloß, wo sie vom Ofen durchs Zelt bis nach draußen zum Tank führte, den er auf ein Gerüst gestellt hatte. Aus überzähligen Bombenteilen hatte er Kaminböcke gemacht, Birkenkloben darüber gelegt, und die Photographien der vollbusigen Illustriertenschönheiten hingen nun eingerahmt über dem Kamin. Orr verstand es, eine Farbdose zu öffnen. Er verstand es, Farbe anzurühren, Farbe zu verdünnen, Farbe zu entfernen. Er konnte Holz hacken und mit einem Zollstock umgehen. Er konnte Feuer machen. Er konnte Löcher ausheben. Und er hatte eine ausgesprochene Begabung dafür, das von ihnen beiden benötigte Wasser aus den Behältern vor der Küche heranzuschleppen, Orr war imstande, sich mit der Sturheit und der Lautlosigkeit eines Klotzes in eine unbedeutende Arbeit zu vertiefen, ohne je ungeduldig zu werden oder das Interesse zu verlieren. Und dazu besaß er eine geradezu unheimlich anmutende Kenntnis der Natur, fürchtete sich weder vor Hunden oder Katzen, vor Käfern oder Motten und auch nicht vor Gerichten wie Kutteln oder Schwarzsauer.
    Yossarián seufzte erschöpft und hing in Gedanken dem Gerücht von einem neuen Flug nach Bologna nach. Das Ventil, das Orr auseinandernahm, war etwa daumengroß und enthielt, das Gehäuse nicht mitgerechnet, siebenunddreißig Einzelteile, von denen viele so klein waren, daß Orr, um sie der Größe nach auf dem Fußboden anzuordnen, gezwungen war, sie zwischen die Fingernägel zu nehmen. Er fuhr unermüdlich und pausenlos in seiner beharrlichen, methodischen Tätigkeit fort und unterbrach sie nur gelegentlich, um Yossarián mit der schwer verständlichen Schadenfreude eines Irren anzugrinsen. Yossarián mühte sich nach Kräften wegzusehen. Er zählte die Teile des Ventils und glaubte dabei, wahnsinnig zu werden. Er wandte sich ab und schloß die Augen, doch nun wurde es noch schlimmer, denn jetzt hatte er es nur mit Geräuschen zu tun, einem gelegentlichen Fingerschnalzen, dem fast unhörbaren Klicken der nahezu gewichtlosen Teile. Orr atmete unterdessen rhythmisch durch die Nase und machte dabei ein schnarchendes, ekelhaftes Geräusch. Yossarián ballte die Hände und starrte das lange Jagdmesser mit dem Horngriff an, das am Feldbett des toten Mannes hing. Kaum hatte er den Gedanken gefaßt, Orr zu erstechen, als seine Verkrampfung sich löste. Der Gedanke, Orr zu ermorden, war absurd. Yossarián hing ihm nach wie einer sonderbaren, reizvollen Grille und suchte auf Orrs Nacken nach dem mutmaßlichen Ort der medulla oblongata. Ein leichter Stich dort hinein würde ihn töten und für sie beide eine Anzahl von drängenden, bedrückenden Fragen lösen.
    »Tut es weh?« fragte Orr gerade in diesem Augenblick, als habe ihm sein Schutzengel die Worte eingegeben.
    Yossarián betrachtete ihn forschend. »Tut was weh?«
    »Dein Bein«, antwortete Orr und lachte seltsam und geheimnisvoll. »Du hinkst immer noch etwas.«
    »Das habe ich mir bloß so angewöhnt«, erwiderte Yossarián erleichtert. »Ich werde es mir bald genug wieder abgewöhnen.«
    Orr rollte sich auf dem Fußboden zu Yossarián herum. »Erinnerst du dich noch«, näselte er nachdenklich und so, als falle es ihm selber schwer, sich zu besinnen, »an das Mädchen, das damals in Rom mit dem Schuh auf meinen Kopf schlug?« Er kicherte, als er sah, wie Yossarián, ärgerlich, weil er wieder hereingefallen war, zusammenzuckte. »Ich mache dir einen Vorschlag: ich sage dir, warum das Mädchen mir ihren Schuh auf den Kopf geschlagen hat, wenn du mir eine einzige Frage beantwortest.«
    »Und welche Frage ist das?«
    »Hast du jemals Natelys Mädchen gepimpert?«
    Yossarián lachte überrascht. »Ich? Nein. Sag mir jetzt, warum das Mädchen dich mit dem Schuh gehauen hat.«
    »Ach, das war noch gar nicht meine Frage«, versetzte Orr sieghaft lächelnd. »Das war nur so ... Konversation. Natelys Mädchen benimmt sich nämlich, als ob du sie gepimpert hättest.«
    »Hab ich aber nicht. Und wie benimmt sie sich?«
    »Sie benimmt sich, als ob sie dich nicht leiden könnte.«
    »Sie kann keinen leiden.«
    »Sie kann

Weitere Kostenlose Bücher