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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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dabei.
    Yossarián verfluchte ihn stumm und beschloß, ihn nicht zu beachten. »Warum beeilst du dich überhaupt so mit deinem Ofen, zum Teufel?« bellte er aber gegen seinen Willen gleich darauf.
    »Es ist heiß draußen. Heute nachmittag gehen wir schwimmen.
    Warum machst du dir solche Sorgen wegen der Kälte?«
    »Die Tage werden kürzer«, bemerkte Orr philosophisch. »Ich möchte diese Anlage rechtzeitig für dich installieren. Wenn sie fertig ist, wirst du den besten Ofen im Geschwader besitzen. Mit Hilfe des Ventils, das ich hier repariere, wird er die ganze Nacht brennen, und diese aufgeschweißten Eisenplatten werden nach allen Seiten Wärme ausstrahlen. Wenn du dann noch einen Stahlhelm voll Wasser oben drauf stellst, ehe du schlafen gehst, hast du beim Aufwachen warmes Waschwasser. Und wenn du Eier kochen willst oder Suppe, brauchst du das Wasser nur hier unten hinzustellen und das Ventil aufzudrehen.«
    »Was heißt eigentlich ich?« verlangte Yossarián zu wissen. »Wo wirst du denn dann sein?«
    Orrs verkümmerter Torso wurde von einem gedämpften Lachen erschüttert. »Ich weiß nicht«, rief er, und ein gespenstisches, unsicheres Kichern fuhr zwischen seinen klappernden Pferdezähnen heraus. Als er weiter redete, lachte er immer noch und hatte die Kehle voller Spucke. »Wenn sie mich weiter so oft abschießen, dann weiß ich wirklich nicht, wo ich sein werde.«
    Yossarián war gerührt. »Warum versuchst du nicht, wegzukommen von der Fliegerei, Orr? Du hast doch wirklich Grund genug.«
    »Ich habe erst achtzehn Einsätze.«
    »Du bist aber fast jedes Mal abgeschossen worden. Nach jedem Start fällst du entweder in den Bach, oder du machst eine Bauchlandung.«
    »Oh, ich habe gar nichts gegen Feindflüge. Ich finde sie in Wirklichkeit ganz lustig. Du solltest mal gelegentlich mit mir fliegen, einfach so zum Spaß. Hihi.«
    Orr blickte Yossarián aus den Augenwinkeln mit vielsagender Heiterkeit an.
    Yossarián wich seinem Blick aus. »Ich muß doch als Nummer Eins fliegen.«
    »Ich meine, wenn du mal nicht als Nummer Eins fliegen mußt.
    Wenn du Grips hättest, Yossarián, weißt du, was du dann tätest?
    Du würdest zu Piltchard und Wren gehen und verlangen, meiner Maschine zugeteilt zu werden.«
    »Um bei jedem Flug abzustürzen? Ich möchte wissen, was daran so lustig sein soll!«
    »Gerade deshalb solltest du es machen«, beharrte Orr. »Wenn es darum geht, aufs Wasser aufzusetzen oder Bauchlandungen zu machen, gibt es keinen besseren Piloten als mich. Und für dich wäre es eine gute Übung.«
    »Gute Übung, wofür?«
    »Für den Fall, daß du entweder in den Bach fällst oder eine Bauchlandung machen mußt, hihi.«
    »Hast du noch eine Flasche Bier für mich?« fragte Yossarián unwirsch.
    »Willst du sie mir auf den Kopf schlagen?«
    Diesmal lachte Yossarián wirklich. »Wie die Hure in unserer Wohnung in Rom.«
    Orr kicherte unanständig und blies seine Holzapfelbacken vor Vergnügen auf. »Möchtest du gerne wissen, warum sie mir den Schuh auf den Kopf gehauen hat?« neckte er.
    »Ich weiß es ja«, sagte Yossarián ebenfalls neckend. »Natelys Hure hat es mir erzählt.«
    Orr grinste wie ein Wasserspeier. »Hat sie nicht.«
    Yossarián empfand Mitleid mit Orr. Orr war so klein und häßlich. Wer sollte ihn schützen, falls er am Leben blieb? Wer konnte einen warmherzigen Gnom wie Orr vor Rüpeln und Cliquen und vor erprobten Athleten wie Appleby schützen, die Rillen in den Pupillen hatten und ihn anmaßend und selbstbewußt bei jeder passenden Gelegenheit einfach aus dem Anzug stoßen würden?
    Yossarián machte sich oft Sorgen um Orr. Wer sollte ihn schützen vor Haß und Tücke, vor dem Ehrgeiz der Mitmenschen, vor der bitteren Versnobtheit der Frau seines Vorgesetzten, vor der widerwärtigen, verderblichen Erniedrigung durch das Profitstreben, vor dem freundlichen Schlachtermeister an der Ecke, der ihm minderwertiges Fleisch verkaufen würde? Orr war ein glücklicher, zutraulicher Einfaltspinsel mit dichtem welligem Haar, das er in der Mitte scheitelte. Er würde das gefundene Fressen für sämtliche Bösewichter sein. Man würde ihm sein Geld nehmen, seine Frau beschlafen und seinen Kindern keine Freundlichkeit erweisen. Yossarián wurde von seiner eigenen Rührung beinahe übermannt.
    Orr war ein exzentrischer Zwerg, ein verkümmerter, liebenswerter Troll mit einer schmutzigen Phantasie und begabt mit tausend Handfertigkeiten, die ihn sein Leben lang in den unteren Einkommensgruppen

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