Catch 22
erinnerte. Vielleicht, so räumte General Peckem sich großmütig ein, war Colonel Schittkopp müde. Schließlich hatte er eine lange Fahrt hinter sich, und alles hier war ihm fremd. General Peckems Haltung gegenüber seinen Untergebenen, Offizieren wie Mannschaften, zeichnete sich durch lässige Duldsamkeit und Nachsicht aus. Er sagte oft, daß, kämen seine Untergebenen ihm auch nur auf halbem Wege entgegen, er jederzeit bereit sei, ihnen mehr als halbwegs entgegenzukommen, mit dem Ergebnis, wie er stets verschmitzt lachend hinzufügte, daß man sich nie wirklich begegne. General Peckem hielt sich für einen Ästheten und Intellektuellen. War jemand anderer Meinung als er, so forderte General Peckem ihn auf, doch objektiv zu sein.
Und wirklich war es ein objektiver General Peckem, der Colonel Schittkopp aufmunternd anblickte und seinen Vortrag mit der Miene großmütigster Nachsicht fortsetzte. »Sie sind gerade zur rechten Zeit gekommen, Schittkopp. Dank der unfähigen Führung, mit der wir unsere Truppen beglücken, ist die Sommeroffensive im Sande verlaufen, und ich brauche dringend einen tüchtigen, harten, erfahrenen Offizier wie Sie, der mir bei der Abfassung jener Memoranda hilft, von denen es in so großem Maße abhängt, daß die Allgemeinheit erfährt, wie tüchtig wir sind und welche Unmasse von Arbeit wir verrichten. Ich hoffe sehr, daß Sie ein fruchtbarer Schreiber sind.«
»Ich habe keine Ahnung vom Schreiben«, entgegnete Colonel Schittkopp verdrossen.
»Nun, machen Sie sich deshalb keine Gedanken«, fuhr General Peckem mit lässiger Handbewegung fort. »Geben Sie die Arbeit, die ich Ihnen zuteile, einfach an irgend jemanden weiter und vertrauen Sie auf Ihr Glück. Wir nennen das: Verantwortung delegieren. Irgendwo ganz unten in dieser von mir geleiteten, blendend koordinierten Organisation sitzen Leute, die die Arbeit erledigen, wenn sie zu ihnen gelangt, und alles geht recht glatt, ohne daß ich zuviel Mühe damit habe. Ich nehme an, es liegt daran, daß ich ein guter Chef bin. Nichts von dem, was wir in dieser unserer großen Organisation tun, ist wirklich wichtig, und nichts ist jemals eilig. Andererseits ist es äußerst wichtig, daß wir den Eindruck erwecken, als seien wir sehr damit beschäftigt. Sagen Sie mir Bescheid, wenn es Ihnen an Hilfskräften fehlen sollte. Ich habe bereits zwei Majore, vier Captains und sechzehn Leutnants angefordert, die Ihnen behilflich sein sollen.
Zwar ist nichts von der Arbeit, die wir tun, von irgendwelchem Wert, es ist aber unerläßlich, daß wir sehr viel davon tun. Sie stimmen mir doch zu?«
»Wie steht es mit dem Exerzierdienst?« ließ Colonel Schittkopp sich vernehmen.
»Was heißt Exerzierdienst?« erkundigte sich General Peckem und fühlte deutlich, daß sein weltmännischer Schliff verschwendet sei.
»Werde ich etwa nicht die Erlaubnis bekommen, jeden Sonntag Exerzierdienst anzusetzen?« fragte Colonel Schittkopp verdrossen.
»Keinesfalls. Wie kommen Sie überhaupt auf den Gedanken?«
»Man hat mir gesagt, ich dürfte das.«
»Wer hat das gesagt?«
»Die Offiziere, die mich hierher versetzt haben. Sie haben mir versprochen, daß ich hier nach Herzenslust mit der Truppe exerzieren dürfte.«
»Da hat man Sie belogen.«
»Das finde ich aber nicht anständig, Sir.«
»Ich bedauere das, Schittkopp. Ich will gerne alles tun, damit Sie sich hier glücklich fühlen, Exerzierdienst anzusetzen, kommt aber nicht in Frage. Wir haben in unserer Einheit nicht genügend Leute, um Paraden zu veranstalten, und falls wir versuchen sollten, die kämpfende Truppe zum Exerzieren zu zwingen, hätten wir eine offene Rebellion zu erwarten. Ich fürchte, Sie müssen sich noch solange gedulden, bis wir endlich die ganze Macht übernehmen können. Dann dürfen Sie mit den Leuten anstellen, was Sie wollen.«
»Und was ist mit meiner Frau?« fragte Colonel Schittkopp mürrisch und mißtrauisch. »Die kann ich doch wohl wenigstens nachkommen lassen, oder etwa nicht?«
»Ihre Frau? Warum in aller Welt wollen Sie Ihre Frau kommen lassen?«
»Mann und Frau gehören zusammen.«
»Das kommt ebenfalls nicht in Frage.«
»Aber man hat mir versprochen, daß ich sie nachkommen lassen darf.«
»Da hat man Sie wieder belogen.«
»Man hat aber kein Recht, mich so zu belügen!« protestierte Colonel Schittkopp, und in seine Augen traten Tränen der Empörung.
»Selbstverständlich hat man das Recht dazu«, schnarrte General Peckem mit kalter, wohlberechneter Strenge,
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