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Catch 22

Catch 22

Titel: Catch 22 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Heller
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ihnen klarzumachen, daß er ein kauziger Greis von 28 Jahren war, daß er zu einer anderen Generation, einer anderen Ära, in eine andere Welt gehörte; daß es ihn langweilte, sich zu amüsieren, weil das die Mühe nicht lohnte, und daß auch sie ihn langweilten. Unmöglich, sie dazu zu, bringen, das Maul zu halten. Sie waren schlimmer als Weiber. Und sie waren einfach zu bescheuert, um in sich gekehrt oder gehemmt zu sein.
    Selbstverständlich hatten sie Busenfreunde in anderen Staffeln, und die kamen ohne jedes Schamgefühl auf Besuch und begannen, das Zelt als Standquartier zu mißbrauchen. Oft war kein Platz für Yossarián. Schlimmer noch — er konnte Schwester Duckett nicht mehr mitbringen und auf sein Bett legen. Und nun, seit Anbruch der schlechten Jahreszeit, gab es überhaupt keinen Platz mehr, wohin er mit ihr gehen konnte. Das war eine Kalamität, die er nicht vorhergesehen hatte. Es juckte ihn, s.einen Mitbewohnern die Schädel einzuschlagen oder sie, einen um den andren, am Schlafittchen und am Hosenboden zu packen und sie ein und für alle mal hinauszuwerfen, in das immergrüne, nasse gummiartige Unkraut, das da zwischen seinem Blechbüchsenpissoir und der aus rohen Brettern gezimmerten Staffellatrine wucherte, die nicht weit entfernt in der Landschaft stand und aussah wie eine gestrandete Seekiste.
    Anstatt ihnen die Schädel einzuschlagen, zog er Überschuhe und Regenmantel an und stapfte durch Regen und Dunkelheit zu Häuptling White Halfoat, um ihn aufzufordern, doch auch noch zu ihm ins Zelt zu ziehen und die unbedarften Affen mit seinen gemurmelten Drohungen und seinen schweinischen Manieren zu vertreiben. Aber Häuptling White Halfoat fror; er plante bereits, ins Lazarett umzuziehen und dort an der Lungenentzündung zu verscheiden. Sein Instinkt sagte dem Häuptling, daß die Zeit nahe war. Es schmerzte ihn in der Brust, und er wurde seinen Husten nicht mehr los. Whisky erwärmte ihn nicht mehr.
    Das schlimmste aber war, daß Captain Flume wieder den Wohnwagen bezogen hatte; das war ein unmißverständliches Omen.
    »Aber er mußte einfach wieder einziehen!« rief Yossarián und mühte sich vergeblich, den umdüsterten Indianer aufzuheitern, dessen Brust so breit war wie ein Faß, dessen straffes, kleeblütenrotes Gesicht in letzter Zeit jedoch zu einer verzerrten, kalkigen Maske geworden war. »Er würde ja erfrieren, wenn er versuchen wollte, bei diesem Wetter noch länger im Freien zu kampieren.«
    »Nein, das Wetter allein hat den gelbbäuchigen Feigling nicht hineingetrieben«, widersprach der Häuptling starrköpfig und tippte sich dabei, ganz von seinen mystischen Überzeugungen durchdrungen, an die Stirne. »Nein, mein Lieber. Er weiß. Er weiß, daß es für mich an der Zeit ist, an Lungenentzündung zu sterben. Er weiß das. Und daher weiß auch ich, daß es an der Zeit ist.«
    »Was sagt denn Doc Daneeka dazu?«
    »Ich darf ja nichts sägen«, klagte Doc Daneeka, der auf seinem Hocker in einer dunklen Ecke des Zeltes saß. Sein glattes, spitzes Gesicht glomm taubengrün im flackernden Kerzenschein. Alles roch hier nach Schimmel. Vor einigen Tagen war die Glühlampe durchgebrannt, und keiner der beiden Männer hatte genug Initiative aufgebracht, sie auszuwechseln. »Es ist mir nicht mehr gestattet, meine ärztliche Praxis auszuüben«, fügte Doc Daneeka hinzu.
    »Er ist ja tot«, erklärte der Häuptling schadenfroh und lachte rasselnd. »Sehr ulkig, wie?«
    »Ich empfange nicht mal mehr meine Löhnung.«
    »Wirklich höchst spaßhaft«, wiederholte Häuptling White Halfoat.
    »Da hat er sich nun monatelang über meine Leber lustig gemacht, und was ist aus ihm geworden? Tot ist er. Gestorben an seiner Geldgier.«
    »An Geldgier stirbt man nicht«, stellte Doc Daneeka gleichmütig fest. »Geldgier ist keine bösartige Krankheit. Schuld ist nur dieser verfluchte Dr. Stubbs, der vor lauter Neid Colonel Cathcart und Colonel Korn gegen die Staffelärzte aufgehetzt hat. Mit seiner Prinzipienreiterei wird er noch den ganzen Ärztestand in Verruf bringen. Aber er soll bloß aufpassen, sonst tut ihn die Ärztekammer in Verschiß, und er darf in keinem Krankenhaus mehr praktizieren.«
    Yossarián sah zu, wie der Häuptling behutsam drei leere Haarwasserflaschen mit Whisky füllte und sie zu seinen Sachen in den Kleiderbeutel steckte.
    »Komm wenigstens auf dem Weg ins Lazarett bei mir vorbei und schlag einem von den Kerlen die Nase ein«, bat Yossarián. »Ich habe jetzt vier Stück von der

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