Catch 22
aussah.
»Aufhören da«, bellte er. »Was denken Sie sich eigentlich?«
»Sie haben schmutzige Zehen«, sagte Dunbar zu ihm.
Der Mann bedeckte ebenso wie der erste seine Blöße und verschwand. Nately stürmte hinterdrein, wurde jedoch von dem ersten Offizier aufgehalten, der zurückgewatschelt kam und dabei ein Kissen vor sich hielt wie eine Nackttänzerin ihren Fächer.
»He, Leute!« brüllte er wütend. »Aufhören!«
»Aufhören«, erwiderte Dunbar.
»Sie haben mich wohl nicht verstanden?«
»Sie haben mich wohl nicht verstanden?« sagte Dunbar.
Der Offizier stampfte schmollend mit dem Fuß auf und gebärdete sich, so gut es gehen wollte, wie ein Rasender. »Wiederholen Sie etwa absichtlich alles, was ich sage?«
»Wiederholen Sie etwa absichtlich alles, was ich sage?«
»Ich werde Sie durchprügeln«, und der Mann hob die Faust.
»Ich werde Sie durchprügeln«, verwarnte Dunbar ihn kalt. »Sie sind ein deutscher Spion, und ich werde Sie erschießen lassen.«
»Deutscher Spion? Ich bin ein amerikanischer Stabsoffizier!«
»Sie sehen nicht aus wie ein amerikanischer Stabsoffizier, sondern wie ein fetter Mann mit einem Kissen vorm Bauch. Wo ist denn Ihre Uniform, Sie amerikanischer Stabsoffizier?«
»Gerade eben haben Sie sie zum Fenster rausgeschmissen.«
»Los, Leute«, befahl Dunbar. »Sperrt den Blödian ein. Bringt den Blödian auf die Wache, sperrt ihn ein und werft den Schlüssel weg.«
Der Colonel wurde bleich vor Entsetzen. »Seid ihr denn alle wahnsinnig? Wo ist denn Ihre Legitimation? He, Sie! Kommen Sie zurück!« Doch es war schon zu spät. Nately, der durch den Türspalt gesehen hatte, daß sein Mädchen nebenan auf dem Sofa saß, war schon an ihm vorbei und durch die Tür geschlüpft. Die anderen drängten hinter ihm her und standen gleich darauf mitten unter den nackten Bonzen. Bei ihrem Anblick lachte Hungry Joe hysterisch, zeigte mit dem Finger auf jeden einzelnen von ihnen und hielt sich vor Lachen den Kopf. Zwei der Herren, die recht kräftig aussahen, näherten sich in feindseliger Absicht, sahen dann aber in den Augen von Dobbs und Dunbar ein bösartiges Flackern und in den Händen von Dobbs den schmiedeeisernen Blumenständer, mit dem er im Salon das Mobiliar zertrümmert hatte und den er immer noch umklammert hielt wie eine Keule. Nately war bereits neben seinem Mädchen. Sekundenlang starrte sie ihn an, ohne ihn zu erkennen, lächelte dann aber und ließ den Kopf an seine Schulter sinken, wobei sie die Augen schloß. Nately war im siebenten Himmel, denn noch nie hatte sie ihn angelächelt.
»Filpo«, sagte ein gefaßt dreinblickender, verlebt aussehender schlanker Mann, der sich bislang nicht in seinem Sessel gerührt hatte, »Sie sind unfähig, einen Befehl auszuführen. Ich habe Ihnen befohlen: werfen Sie die Kerle raus. Was aber machen Sie?
Sie bringen die Kerle rein. Begreifen Sie gar nicht, daß das nicht das gleiche ist?«
»Man hat unsere Sachen zum Fenster hinausgeworfen, General.«
»Geschieht Ihnen recht. Auch unsere Uniformen? Das war wirklich schlau. Ohne unsere Uniformen werden wir nie jemanden davon überzeugen können, daß wir was Besseres sind als andere Leute.«
»Man müßte die Namen der Burschen notieren, Lou ...«
»Ach, laß doch, Ned«, entgegnete der schlanke Mann mit hervorragend gespielter Gleichgültigkeit. »Du verstehst es vielleicht, Panzerdivisionen zum Angriff anzusetzen, aber in einer prekären gesellschaftlichen Situation bist du so gut wie völlig unbrauchbar. Früher oder später werden wir unsere Uniformen zurückbekommen, und dann sind wir wieder ihre Vorgesetzten.
Haben sie wirklich die Uniformen hinausgeworfen? Ich muß schon sagen: prächtige Taktiker.«
»Alles haben sie rausgeworfen.«
»Auch das Zeug, das im Schrank ist?«
»Sie haben den Schrank durchs Fenster gekippt, General. Das war der Bums, den wir vorhin gehört haben, als wir dachten: jetzt kommen sie und murksen uns ab.«
»Und du bist der nächste«, sagte Dunbar bedrohlich.
Der General wurde blaß. »Weshalb ist er denn so wütend?« erkundigte er sich bei Yossarián.
»Er meint es leider ernst«, sagte Yossarián. »Lassen Sie lieber das Mädchen gehen.«
»Nehmt sie, nehmt sie!« versetzte der General erleichtert. »Sie hat ohnedies nichts anderes getan als unser Selbstvertrauen erschüttert. Für die hundert Dollar, die wir ihr gezahlt haben, hätte sie uns wenigstens Abneigung oder Ekel bezeigen können. Doch nicht einmal dazu hat es bei ihr gelangt.
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