Catch 22
Sorte, und sie verdrängen mich aus meinem Zelt.«
»So ähnlich ist es meinem ganzen Stamm ergangen«, erwiderte der Häuptling mit sichtlicher Genugtuung und setzte sich auf sein Bett, um ausgiebig zu kichern. »Warum läßt du die Brüder denn nicht von Captain Black rausschmeißen? Captain Black tut nichts lieber als Leute rausschmeißen.«
Yossarián grinste säuerlich bei der Erwähnung von Captain Black, der die Neuankömmlinge bereits nach Herzenslust anbrüllte, wenn sie zu ihm kamen, um Karten und Weisungen zu holen. Beim bloßen Gedanken an Captain Black empfand Yossarián Mitleid mit seinen Bettgehern und den Wunsch, sie zu beschützen. Als er mit schwingender Taschenlampe durch die Dunkelheit zurück trabte, rief er sich ins Gedächtnis, daß es schließlich nicht ihre Schuld war, wenn sie jung und munter waren. Er wünschte selber, wieder jung und munter zu sein. Und es war auch nicht ihre Schuld, daß sie mutig, sorglos und zuversichtlich waren. Es galt, Geduld mit ihnen zu haben. Waren erst einmal zwei oder drei tot und die übrigen verwundet, dann würden sie schon zur Vernunft kommen. Er gelobte, duldsamer und freundlicher zu sein, doch als er voll von guten Vorsätzen ins Zelt schlüpfte, prasselte dort ein mächtiges Feuer. Yossarián verschlug es die Sprache. Da gingen doch wirklich Orrs wunderschöne Birkenkloben in Rauch auf, wurden pietätlos von seinen Mitbewohnern verfeuert! Er glotzte die vier sturen, von der Hitze geröteten Gesichter an und fühlte Lust, sie mit den Köpfen gegeneinander zu stoßen, sie aber begrüßten ihn lärmend, schoben dienstbeflissen einen Stuhl ans Feuer und boten ihm von ihren gerösteten Kastanien und gebratenen Kartoffeln an. Was sollte er nur mit ihnen machen?
Und früh am folgenden Morgen beseitigten sie auch den toten Mann. Sie ließen ihn ganz einfach verschwinden. Sie schleppten das Feldbett mit seinen Sachen nach draußen, kippten alles ins Gebüsch und rieben sich nach getaner Arbeit befriedigt die Hände. Yossarián war förmlich betäubt von dieser alles niedertrampelnden Lebenslust, diesem Eifer, dieser aufs Praktische gerichteten Tüchtigkeit. Da hatten sie nun hemdsärmelig in Minuten ein Problem gelöst, mit dem Yossarián und Sergeant Towser monatelang vergeblich gerungen hatten! Yossarián packte die Angst (er fürchtete, daß sie sich seiner ebenso unbedenklich entledigen könnten), er eilte zu Hungry Joe, und beide flüchteten nach Rom.
Das geschah einen Tag, bevor Natelys Hure sich endlich einmal ausschlief und verliebt erwachte.
Natelys Hure
In Rom sehnte er sich nach Schwester Duckett. Es gab dort nicht viel anderes für ihn zu tun, nachdem Hungry Joe nach Pianosa zurückgefahren war, um Post zu fliegen. Yossarián sehnte sich so sehr nach Schwester Duckett, daß er die Straßen gierig nach Luciana absuchte, deren Lachen und unsichtbare Narbe er nicht vergessen hatte, oder auch nach der versoffenen, verdrückten, verschwiemelten Nutte mit dem prall gefüllten, weißen BH und der aufgeknöpften orangefarbigen Satinbluse, deren obszönen, lachsfarbigen Kameenring Aarfy so kaltblütig aus dem Fenster des Autos geworfen hatte. Wie er sich nach diesen beiden Mädchen sehnte! Vergeblich hielt er nach ihnen Ausschau. Er liebte sie so sehr und wußte doch, daß er keine von beiden je wieder zu sehen bekommen würde. Verzweiflung nagte an ihm. Visionen peinigten ihn. Er wünschte sich Schwester Duckett mit hochgeschobenem Rock und nackten, schmalen Schenkeln. Er rutschte über ein dürres Straßenmädchen mit feuchtem Husten, das ihn in einer Gasse zwischen den Hotels aufgegabelt hatte, doch das war kein Spaß, und er begab sich eilig ins Quartier der Mannschaften zu der fetten, freundlichen Magd in den zitronenfarbigen Höschen, die sich zwar rasend freute, ihn zu sehen, ihn aber nicht potent machen konnte. Da legte er sich frühzeitig und allein schlafen. Er wachte enttäuscht auf und pimperte ein naseweises, pausbackiges, kurz gewachsenes Mädchen, das er nach dem Frühstück in der Wohnung vorfand, doch war auch das kein großer Spaß, und als er fertig war, jagte er sie weg und legte sich wieder schlafen. So schlummerte er bis zum Mittag und kaufte dann Geschenke für Schwester Duckett ein, dazu ein Tüchlein für die Magd in den zitronenfarbigen Höschen, die ihn dafür mit so gargantuanischer Dankbarkeit umarmte, daß er wieder Lust auf Schwester Duckett bekam und geil wie ein Bock auf die Suche nach Luciana ging. Statt ihrer entdeckte
Weitere Kostenlose Bücher