Catch 22
und wenn die glatte, gläserne Kanzel der Maschine in den treibenden Qualm stieß, war ihm, als spüre er bösen, feuchten, rußigen Nebel seine Wange streifen. Sein Herz hämmerte angstgepeinigt, während er hinauf und herunter durch die blinden mordlüsternen Rudel der Granaten kurvte, die blutgierig den Himmel nach ihm abtasteten. Dann sackte er ermattet zusammen. Schweiß rann ihm in Bächen am Hals herunter über die Brust und bedeckte den ganzen Körper wie warmer Schleim. Er wußte irgendwie, daß die zu seiner Formation gehörenden Maschinen nicht mehr da waren, und dann fühlte er nur noch sich selber. Von der erstickenden Heftigkeit, mit der er McWatt jedes Kommando zugeschrien hatte, brannte ihm die Kehle wie eine offene Wunde. Immer, wenn McWatt die Richtung änderte, stieg das Dröhnen der Motoren zu einem betäubenden, schmerzlichen, wehklagenden Gebrüll an. Und weiter vorne war der Himmel von platzenden Granaten neuer Batterien übersät, die sich auf die richtige Höhe einschossen und sadistisch darauf warteten, daß Yossarián in ihre Reichweite geriet.
Wieder wurde die Maschine von einer lauten, knirschenden Explosion geschüttelt, die das Flugzeug fast auf den Rücken warf, und die Kanzel füllte sich sogleich mit süßen blauen Rauchwolken. Irgendwas brannte! Yossarián wandte sich zur Flucht und rannte gegen Aarfy, der ein Streichholz entzündet hatte und gemütlich seine Pfeife anrauchte. Yossarián glotzte seinen grinsenden, mondgesichtigen Beobachter erschreckt und verwirrt an.
Es kam ihm der Gedanke, daß einer von ihnen beiden wahnsinnig sein müsse.
»Herr im Himmel!« brüllte er Aarfy ganz außer sich an. »Mach endlich, daß du aus der Kanzel verschwindest! Bist du verrückt?
Mach dich weg!«
»Was?« fragte Aarfy.
»Raus mit dir!« kreischte Yossarián hysterisch und drängte Aarfy mit beiden Händen von sich weg. »Raus mit dir!«
»Ich kann dich immer noch nicht hören!« rief Aarfy unschuldig zurück, und seine Miene drückte neben Staunen und Verwunderung auch einen milden Tadel aus. »Du mußt schon etwas lauter sprechen.«
»Raus aus der Kanzel!« schrie Yossarián in ohnmächtiger Wut.
»Die Kerle bringen uns um! Verstehst du denn nicht! Sie bringen uns um!«
»Wie soll ich fliegen, zum Teufel?« rief McWatt mit gequälter, schriller Stimme über die Bordverständigung. »Wie soll ich fliegen?«
»Links! Links! Du Hurensohn! Scharf links!«
Aarfy pirschte sich von hinten an Yossarián heran und drückte ihm den Pfeifenstiel in die Rippen. Yossarián sprang wiehernd in die Höhe und drehte sich dann kreidebleich und zornbebend herum. Aarfy blinzelte ihm aufmunternd zu und wies mit dem Daumen über die Schulter in Richtung auf McWatt, wobei er den Mund zu einem lustigen Schmollen verzog.
»Was hat er denn?« fragte er lachend.
Yossarián empfand diese Frage als gespenstisch. »Wirst du jetzt wohl verschwinden?« japste er flehend und schob Aarfy mit aller Kraft gegen den Tunnel. »Bist du taub, oder was? Zurück in die Maschine!« Und McWatt schrie er zu: »Runter! Runter!« Wieder tauchten sie hinab in das belfernde, rumpsende Sperrfeuer der Flak, und wieder schlich sich Aarfy von hinten an Yossarián heran und stieß ihm den Pfeifenstiel in die Rippen. Und wieder schoß Yossarián wiehernd in die Höhe.
»Ich habe dich gar nicht richtig verstanden«, sagte Aarfy.
»Ich habe gesagt, mach, daß du rauskommst!« brüllte Yossarián und brach in Tränen aus. Er fing an, Aarfy aus Leibeskräften beide Fäuste in die Rippen zu boxen. »Mach dich weg! Bleib mir vom Leib!«
Aarfy zu prügeln, war genauso, wie einen schlappen Gummiballon zu prügeln. Diese fühllose Masse leistete keinen Widerstand, reagierte überhaupt nicht, und nach einer Weile verlor Yossarián den Mut und ließ die Arme hilflos und erschöpft sinken. Ein demütigendes Gefühl der Kraftlosigkeit hatte ihn überwältigt, und er war kurz davor, aus Mitleid mit sich selbst bitterlich zu weinen.
»Was sagtest du?« fragte Aarfy.
»Bleib mir vom Leib«, erwiderte Yossarián bittend. »Geh zurück in die Maschine.«
»Ich kann dich nicht hören.«
»Ach laß nur«, jammerte Yossarián. »Laß mich bloß in Ruhe.«
»Was soll ich lassen?«
Yossarián schlug sich gegen die Stirn. Er packte Aarfy bei der Brust, stellte die Füße fest auf, um genug Halt zu haben, schleifte ihn zum rückwärtigen Teil der Kanzel und warf ihn vor den Eingang des Tunnels, wie einen aufgeschwemmten Sack. Als er wieder nach
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