CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
bleiben, doch er spürte, wie der Schlaf unwiderruflich von ihm abfiel.
»Er macht sich Gedanken wegen O’Brien«, informierte er sie. »Er hat ihn heute Abend nicht erreichen können.«
»Meinst du, dass er nicht ans Telefon geht oder dass er verschwunden ist? Was genau?«
»Beides. Jerry fragt sich, ob er auf eine Sauftour gegangen ist, aber Hank hat nicht erwähnt, dass er irgendetwas Derartiges vorhat, als sie das letzte Mal miteinander gesprochen haben.«
»Und wann war das?«
Gordon zuckte zusammen. Er hatte immerhin genügend Selbstachtung, um nicht unter die Bettdecke abzutauchen. Er hätte es tun können, in spielerischer Manier, aber Patricia hätte es wohl nicht lustig gefunden.
Sie streckte die Hand aus. »Das Telefon.«
Während Patricia die Nummer wählte, fragte Gordon sich unwillkürlich, ob ihre erste Sorge ebenfalls Lisa gegolten hatte oder ob sie überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen war, dass ihre Tochter in Gefahr sein könnte.
»Jerry, ich bin’s. Die ganze Geschichte, bitte.«
Als Gordon für einen Moment die Augen schloss, bildete er sich ein, er könne geradezu spüren, wie der Körper seiner Frau vor rasender Energie pulsierte, so stark, dass das Bett fast vibrierte. Dann merkte er, dass es vielmehr sein eigener Körper war, der zitterte, wahrscheinlich, weil er müde und unruhig war – und weil er die Überreaktion seiner Frau fürchtete.
Patricia seufzte und fragte: »Und um wie viel Uhr war das?« Gordon lauschte angestrengt, um die andere Hälfte des Gesprächs mitzubekommen, doch er hörte nur ein fernes, dumpfes Schnarren, als ob jemand eine Betonfläche mit einem steifen Besen fegte.
»Nein«, sagte sie. »Fahren Sie um sieben. Achten Sie darauf, dass Sie nicht gesehen werden. Sie haben einen Schlüssel, oder?«
»Hat er denn nicht reingeschaut?«, zischte Gordon.
Patricia mahnte ihn mit erhobener Hand, still zu sein. »Sieben Uhr. Wenn er da ist, können Sie ihn sicher wecken. Wenn nicht, rufen Sie mich an.«
Sie gab Gordon das Telefon zurück. Als er Jerry gute Nacht sagen wollte, stellte er fest, dass die Leitung tot war.
»Und?«, sagte er, da ein gewisses Maß an Analyse jetzt unvermeidlich war.
»Das könnte ein Problem sein.« Patricia hatte die Arme verschränkt und blickte starr auf die gegenüberliegende Wand. »Das könnte ein großes Problem sein.«
Patricia Blake war eine korpulente Frau, wenngleich Gordon für sich die Bezeichnung »fest« vorzog. So war sie schon immer gewesen: kräftig, gut gebaut, mit breiten Hüften und Schultern. Vor dreißig Jahren hatte sie daneben auch noch etwas Weiches gehabt, in ihren Augen und ihrer Haut, sogar in ihrer Art, wenn der Anlass es verlangte. Doch die Zeit und die bitteren Erfahrungen hatten nicht etwa ihre Kanten abgeschliffen, sondern vielmehr Furchen und Verwerfungen in ihrem Charakter hinterlassen und sie grob und aggressiv werden lassen.
Sie war immer noch eine attraktive Frau, und Gordon wusste, dass er nicht der Einzige war, der das so sah. Sie achtete sehr auf sich, und dank der regelmäßigen und diskreten Pflege, die sie ihrem Haar und ihren Nägeln angedeihen ließ, veränderte sich ihr Aussehen von einem Monat zum anderen fast überhaupt nicht. Ihr Haar war länger, als viele es bei einer Frau von Mitte fünfzig für schicklich gehalten hätten, doch in der Öffentlichkeit trug sie es zu einem Dutt frisiert, mit dem sie irgendwie sexy und mädchenhaft wirkte. Gordon fand, dass sie in einem bestimmten Licht – zugegebenermaßen einem eher gedämpften Licht – Ähnlichkeit mit Leslie Caron in ihren mittleren Jahren hatte.
Gordon war sich bewusst, dass viele Leute in seiner Frau einen verbitterten alten Drachen sahen. Er konnte das verstehen. Welche erfolgreiche Frau ihres Alters wurde nicht mit solchen Vokabeln belegt? Und Patricia hatte noch nie mit ihrer Meinung hinterm Berg gehalten; sie hatte im Lauf der Jahre so manches Ego angekratzt und sich damit Feinde gemacht …
»Gordon! Du schläfst doch hoffentlich nicht wieder ein?«
»Nein. Tut mir leid.«
»Ich sagte, Jerry hat zuletzt gestern Nachmittag mit ihm gesprochen. O’Brien hat keine besonderen Pläne für heute Abend erwähnt, abgesehen von einem Bier in seinem Stammlokal.«
»Vielleicht hat er dort einen Bekannten getroffen, und sie sind zusammen noch woanders hingegangen?«
»Hmm. Jerry sagt, im Haus brennt Licht, aber von Hank ist weit und breit nichts zu sehen.«
»Meinst du, dass er vielleicht krank geworden ist? Ein
Weitere Kostenlose Bücher