CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
Wange und kam sich dabei mehr als schäbig vor – seit mehr als einer Woche häufte er nun schon Lüge auf Lüge. Rasch lief er nach oben. Die Musik, die in Louis’ Zimmer lief, war eine wunderschöne, melancholische Nummer aus Morricones Soundtrack zu Mission , auch eines der Lieblingsstücke ihrer Eltern.
»Louis, darf ich reinkommen?«
Dan öffnete die Tür. Sein Bruder lag lang ausgestreckt auf dem Bett, die Hände im Nacken verschränkt. Er weinte nicht, aber seine Augen schimmerten feucht.
»Bist du okay?«
»Nicht wirklich. Was ich jetzt eigentlich bräuchte, ist ein Joint.«
»Tja, nun. Ich wollte Robbies Sachen abholen.«
»Den Koffer?« Louis deutete mit einem Fuß auf den alten Wäschekorb. »Ist da drin.« Er rührte sich nicht, als Dan den Deckel abnahm und ein paar Kopfkissen herausfischte. »Willst du mir nicht sagen, was los ist?«
»Ich kann nicht.«
»Du hast ernsthaft Stress, stimmt’s?«
Dan drehte sich um und betrachtete seinen Bruder, der immer noch an die Decke starrte. »Wieso sagst du das?«
»Na, so, wie du dich in letzter Zeit benommen hast. Das kann unmöglich nur wegen Hayley sein. Steckt Robbie da mit drin?«
Dan wusste, dass Leugnen sinnlos wäre, also nickte er. »M-hm.«
»Und Cate?«
»Wie kommst du darauf, dass sie etwas damit zu tun hat?«
Louis zuckte mit den Achseln. »Ich hab gehört, ihr Exmann wär am Samstag ermordet worden. Stimmt das?«
»Ja. Und Cate ist …« Dan bremste sich noch rechtzeitig.
»Was?«
»Nichts. Sie … na ja, sie leidet ein bisschen, das ist alles. Ich versuche ihr zu helfen.«
»Aha.« Louis’ Ton sprach Bände.
Dan nahm den Koffer heraus und stopfte die Bettwäsche wieder in den Korb. Als er aufstand, um zu gehen, war er plötzlich überzeugt, dass er seinen Bruder nie wiedersehen würde. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte Louis an, als ob sie an entgegengesetzten Enden eines langen, dunklen Tunnels stünden.
Louis setzte sich auf und schenkte ihm ein versöhnliches Lächeln. »Ich wollte dich nicht verarschen. Ich meine nur, du hast doch immer schon auf sie gestanden, oder nicht? Ich könnte mir vorstellen, dass ihr ein tolles Paar abgeben würdet.«
»Danke.« Dan stellte den Koffer ab. »Lass dich mal drücken, Louis.«
»Was?«
»Bitte.«
Perplex und ein wenig verlegen stand Louis auf, und sie umarmten sich. Das war etwas, was sie schon sehr lange nicht mehr gemacht hatten, und Dan registrierte verblüfft, wie groß und kräftig Louis geworden war. Mein kleiner Junge ist ein Mann geworden. Das würde ein Vater doch in einer Situation wie dieser sagen, oder nicht?
Langsam lösten sie sich voneinander, und Louis war nicht so unreif, dass ihm die Bedeutung dieses Moments nicht bewusst gewesen wäre, wenn er auch keine Ahnung hatte, warum er so bedeutend war.
»Ein Unglücksfall«, murmelte er.
»Bitte?«
»Das ist der Grund, warum ich so verkorkst bin.« Louis wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel. »Ich weiß noch, dass Joan mir immer erzählt hat, wie überglücklich Mum und Dad waren, als ich auf die Welt kam, so viele Jahre nach dir. Ich war ihr ›Glücksfall‹.«
Dan nickte. Mit diesem Wort hatte Joan stets Louis zu vermitteln versucht, wie wichtig er für die Eltern gewesen war, die er kaum gekannt hatte.
»Ich war der Glücksfall. Zwei Jahre später kam der Un glücksfall. Denn das Leben findet nun mal einen Weg, einen Ausgleich zu schaffen.«
»Oh, Louis, so kannst du doch nicht denken.«
»Ich weiß, dass es nicht rational ist. Aber so fühlt es sich an. Als wäre ich ein Fluch für sie gewesen.«
»Nein.« Dan fasste seinen Bruder an den Armen. »Du stehst für das, was das Beste an Mum und Dad war. Du bist die Zukunft, die ihnen verwehrt war. Vergiss das nie.«
Louis nickte, nun plötzlich wieder verlegen. »Das wird jetzt echt zu heftig. Am besten, du haust ab, sonst fang ich noch an zu flennen oder so.«
»Hast recht, ich auch.« Dan gab Louis einen Klaps auf die Schulter. »Ich hab dich gern, Mann.«
»Wo willst du eigentlich hin?«
Dan zuckte mit den Achseln und brachte eine weitere Lüge über die Lippen. »Ach, nirgends eigentlich.«
Er trabte die Stufen hinunter und hörte Gelächter. Robbie war ins Gespräch mit Joan vertieft, die über einen Scherz von ihm lachte. Sie sah Dan und schnalzte missbilligend mit der Zunge.
»Du hast gar nicht gesagt, dass du Robbie dabeihast. Warum hast du ihn nicht reingebeten?«
»Es ist ja nur eine Stippvisite.«
»Du
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