CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
versuchte, dass Robbie in einem Punkt recht hatte: Die Polizei einzuschalten, hätte wahrscheinlich alles noch schlimmer gemacht.
Dan ging ein wenig vom Gas – es war jetzt nicht mehr nötig, dass er mit dem BMW mithielt – und wechselte auf die A264 nach Billingshurst, wo er die A272 nach Westen nahm. Es war ein trüber Abend, dünne Wolkenschlieren verdeckten die untergehende Sonne, und ein diffuser zartrosa Schein überzog den Himmel. Die Wiesen und Wäldchen von Sussex waren in weiche Schatten getaucht, während die Straße, die sie durchschnitt, sich in ein funkelndes Band aus roten und weißen Lichtern verwandelte.
Dan konnte nicht aufhören, sich mit Bildern von Cate in ihrem Gefängnis zu quälen. Vielleicht litt sie Schmerzen, mit Sicherheit war sie total verängstigt und verwirrt – und sie konnte sich zweifellos denken, dass Robbie nicht die Polizei anrufen würde, aus Angst, selbst im Gefängnis zu landen.
Sie beide waren jetzt ihre einzige Hoffnung: Robbie und Dan.
Im Moment sah es so aus, als wäre das zu wenig.
Der Stau machte Robbie nichts aus: Das hieß nur, dass er nachher nicht so lange warten musste. Aber er wäre um ein Haar mit einem Idioten aneinandergeraten, der ihm ständig zu dicht hinten auffuhr. Das machte ihn ganz kirre – der Gedanke, dass dieses Arschloch einen Unfall bauen und damit die ganze Planung für den Abend über den Haufen werfen könnte.
Es war fast genau halb sieben, als er in Midhurst ankam und auf den Parkplatz fuhr. Es waren noch Dutzende von Stellplätzen frei, aber Robbie hielt sich an die Anweisungen und parkte so weit wie möglich von der Einfahrt entfernt. Der Parkplatz grenzte an Wiesen und Felder und war von Büschen und Bäumen gesäumt.
Robbie war froh darum – er musste ganz dringend pinkeln. Er hatte keine Hinweisschilder für Toiletten gesehen, als er beim Abbiegen an der Bushaltestelle vorbeigekommen war, und zu Fuß wäre es ohnehin zu weit gewesen. Er blieb noch eine Minute sitzen und versuchte abzuschätzen, wie wahrscheinlich es war, dass hier Fußgänger vorbeikämen. Er fand, dass er es riskieren könnte. Es war ja kaum jemand in der Nähe.
Er schloss den BMW ab – wegen der Dokumente im Kofferraum –, ehe er hinter einen Busch sprang und sich erleichterte. Wahrscheinlich der lustvollste Moment des Abends, dachte er. Und es würde noch schlimmer werden, ehe es wieder besser wurde.
Wie zum Beweis vernahm er einen entrüsteten Aufschrei, als er zum Wagen zurückkam. Als er sich umdrehte, sah er einen Mann auf sich zueilen, die Stirn missbilligend in Falten gezogen. Robbie kannte die Sorte: ein grauer, ältlicher Kleinstadt-Bürokrat mit einem Besenstiel im Arsch.
»In der Öffentlichkeit urinieren – Sie wissen schon, dass das Erregung öffentlichen Ärgernisses ist?«
Erreg du dich mal nicht so. Robbie grinste. »Hau ab, Alter, und kümmer dich um deinen eigenen Scheiß!«
»Nein, das werde ich nicht tun. Ich hätte nicht übel Lust …« Der Mann ließ den Satz unvollendet – auch typisch für diese Sorte, nach Robbies Erfahrung. Nie hatten sie den Mumm, ihren Drohungen auch Taten folgen zu lassen.
Robbie setzte sich ans Steuer und beugte sich heraus, um die Tür zuzuziehen. Gleichzeitig blickte er auf, um zu sehen, ob den Typen schon der Mut verlassen hatte.
Nicht ganz. Der alte Wichtigtuer war näher gekommen, stand schon fast neben der Wagentür, und jetzt griff er in seine Anzugjacke. Robbie stöhnte innerlich auf.
Womit will er mich denn jetzt bedrohen? Mit seiner Mitgliedskarte vom Rotary Club vielleicht?
99
In der Nähe des Städtchens Petworth hielt Dan in einer Parkbucht. Während der Fahrt war ihm plötzlich der Gedanke gekommen, dass sie irgendwelche Waffen hätten mitnehmen sollen. Im Kofferraum des Corsa fand er einen Kreuzschlüssel, den er neben sich auf den Beifahrersitz legte. Besser als gar nichts.
Er lehnte sich zurück, machte die Augen zu und ließ seine Gedanken schweifen. Er dachte an Hayley und Tim und kam zu dem Schluss, dass er ihnen aufrichtig alles Gute wünschte. Er machte sich Sorgen um seine Tante und um Louis, und er fragte sich, wie sie es aufnehmen würden, wenn die Wahrheit endlich ans Licht käme. Denn sie würde ans Licht kommen, da war er sich sicher.
Unglücksfälle.
Was ihm keine Ruhe ließ, war das hartnäckige Gefühl, dass sie auf der völlig falschen Fährte waren. Es gefiel ihm nicht, wie Jerry sie kreuz und quer durch die Gegend kurven ließ – es sah nach bewusster
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