CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
er sich noch einen Rest Würde bewahren wollte, müsste er auf der Stelle aussteigen. Und ihnen sagen, dass sie sich ihr Geld sonst wohin stecken konnten.
Aber dreißigtausend im Jahr … Wenn die weg wären, dann wäre auch Jen-Ling weg – und sie war das Einzige, was noch zwischen ihm und diesen kalten Bohnen in Tomatensauce stand …
Das konnte er nicht riskieren. Unmöglich.
Der Unfallort lag an einem langen Abschnitt der Landstraße mit schmalen Grünstreifen, Bäumen auf einer Seite und einer Hecke auf der anderen – nirgends eine Stelle, wo man anhalten oder ausweichen konnte. Es war ein trockener, klarer Abend mit nur wenigen hauchdünnen, weiß schimmernden Zirren am dunkler werdenden Himmel.
Jerry erreichte die Stelle, wo Hank O’Brien den Tod gefunden hatte. Sie war mit ein paar Schildern und einem Halbkreis aus Plastikkegeln gekennzeichnet, und zwischen den Bäumen war Tatort-Absperrband gespannt. Jerry sah gleich, wie leicht man auf diesem Streckenabschnitt einen Fußgänger über den Haufen fahren konnte. Zumal einen Idioten wie Hank, der wahrscheinlich mit dem Rücken zum Verkehr gegangen war.
Rund zweihundert Meter weiter entdeckte Jerry die Einfahrt zu einer Weide, versperrt mit einem Gatter. Ein Trampelpfad führte über die Weide, ungefähr in die Richtung von O’Briens Haus. Vielleicht war das der Weg, den er hatte nehmen wollen.
Es war zu auffällig, hier zu parken. Bei seinem Pech würde wahrscheinlich irgendwann der verdammte Bauer mit seinem Traktor aufkreuzen.
Halblaut fluchend wendete Jerry in fünf holprigen Zügen und fuhr zum Pub zurück. Zum dritten Mal war er heute schon dort. Aus diesem Grund würde er nicht hineingehen, auch wenn er sich gerne eine Tüte Erdnüsse oder Chips genehmigt hätte. Und vielleicht einen schnellen Scotch zum Aufwärmen.
Der Parkplatz war fast voll, und er konnte das geschäftige Treiben im Pub hören. Gab viel Gesprächsstoff nach den Ereignissen von gestern Abend.
Er setzte sich gemächlich in Bewegung, teils aus Unwillen, teils weil er den Schutz der Dunkelheit brauchte. Er hatte einen kleinen Rucksack dabei, mit Wasser, einer Tüte Pfefferminzbonbons, Notizblock und Stift und seiner Kamera. Auch ein Paar Latexhandschuhe und ein Jagdmesser hatte er eingesteckt, für alle Fälle.
Sobald er auf der offenen Landstraße war, kam plötzlich aus dem Nichts ein ganz gemeiner Wind auf. Jerry fröstelte. Er hatte ein Hemd, eine Fleecejacke und eine Lederjacke angezogen und geglaubt, das müsste locker reichen. Es reichte offenbar nicht.
»Dieser verdammte Stemper«, grummelte er.
Die Vorstellung, auf einen Baum zu klettern, hatte einen gewissen pubertären Reiz; er fühlte sich in die goldene Jugendzeit zurückversetzt, als er mit seinen Kameraden im Battersea Park Robin Hood und Davy Crockett gespielt hatte. Und die Äste würden ihm vielleicht Schutz vor dem Wind bieten.
Doch die Bäume, die vom Auto aus so dicht und stabil gewirkt hatten, waren in Wirklichkeit viel dünner, mit brüchigen, wie Weidengeflecht ineinander verknoteten Zweigen. Sie würden sein Gewicht nicht tragen, und in Bodennähe war das Laub nicht dicht genug als Tarnung.
Jerry sah sich gezwungen, die Straße zu überqueren und sich durch die Hecke zu zwängen, fast direkt gegenüber der Unfallstelle. Im schwindenden Licht übersah er einen überstehenden Dornenzweig, der ihm die Haut an der Stirn aufriss.
»Scheiße!« Er brach durch auf die Weide, wo er gleich voll in einen Kuhfladen trat. Das Blut rann ihm übers Gesicht, als er sich bückte, um seinen versauten Stiefel zu inspizieren.
Er kramte in seinem Rucksack und fand eine zerknüllte Serviette, mit der er die Blutung zu stillen versuchte. Dann stolperte er am Rand der Weide entlang, wo der Boden weich und matschig war. Es war, als hätte er Butter unter den Sohlen.
Er blieb an einer Stelle stehen, wo er die Straße im Auge behalten konnte, vielleicht zehn oder zwölf Meter von der Unfallstelle entfernt. Er konnte das Absperrband im Wind flattern hören; das leise tock-tock-tock erinnerte ihn irgendwie an Boote, Segeln und Sommer.
Er schob sich ein Pfefferminzbonbon in den Mund und mahnte sich, es langsam zu lutschen. Doch schon nach ein paar Sekunden hatte er die Mahnung vergessen und kaute knirschend darauf herum. Hoffentlich halten meine Zähne das aus, dachte er. Zahnbehandlungen waren teuer.
Ein paar Minuten vergingen, ehe er auf die Idee kam, die Kamera auszuprobieren. Es war eine einfache Kompaktkamera von
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