CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
Stemper konnte natürlich nicht wissen, dass das Thema absolut tabu war.
Patricia entgegnete mit frostiger Verachtung: »Ich werde mich nicht dazu äußern, ob ›Sir Mark‹ seinen Titel verdient hat oder nicht. Aber es ist eine ausgemachte Sache, dass er in ein, zwei Jahren im House of Lords sitzen wird. Seine Parteispenden bewegen sich schon im siebenstelligen Bereich, vieles davon lief über Strohmänner.« Sie bedachte Gordon mit einem bitteren Blick. »Kaum zu glauben, dass ich es war, die ihn mit David bekanntgemacht hat.«
»Nun ja«, meinte Gordon trocken, »wir hatten natürlich nicht die geringste Ahnung, wie wichtig dieser smarte junge Mann einmal werden würde. Niemand hat das geahnt.«
Stemper murmelte noch ein paar mitfühlende Worte. Er saß ganz gerade da, die Hände ordentlich im Schoß gefaltet. Seine einzigen Bewegungen waren die Blicke, die er regelmäßig nach links oder rechts warf, scheinbar beiläufig, doch Gordon wusste, dass er sich jedes Detail seiner Umgebung und der anwesenden Personen einprägte.
»Und worin besteht nun die Verbindung zu O’Briens Tod?«, fragte er.
Patricia nickte. »Tut mir leid, wir sind vom Thema abgekommen. Es ist ein schlecht gehütetes Geheimnis, dass Templeton Kasse machen will. Selbst in dieser Zeit der Ausgabenkürzungen ist die Regierung noch fest entschlossen, das Outsourcing in einem Maß voranzutreiben, dass der letzte Goldrausch dagegen wie Peanuts aussehen wird. Gesundheit, Bildung, Soziales, Polizei, überhaupt alles. Da sind Hunderte von Milliarden zu holen, und die amerikanischen Großkonzerne sind natürlich entschlossen, sich einen Platz am Futtertrog zu sichern. Einer hat jetzt entschieden, dass eine Fusion mit Templeton Wynne der ideale Weg wäre, sich an die Spitze zu mogeln.«
»Wobei ›Fusion‹ ein ziemlicher Euphemismus ist«, meinte Gordon.
»Genau. Mark Templeton wird das allerdings ziemlich egal sein. Selbst nach konservativen Schätzungen kann er damit rechnen, sein persönliches Vermögen auf einen Schlag um rund hundert Millionen Pfund zu vermehren.«
Stemper war nicht so ungehobelt zu pfeifen oder auch nur den Kopf zu schütteln. Er verdaute die Information einfach mit einem Schluck Wasser und bedeutete Patricia mit einem Nicken fortzufahren.
»Das einzig Gute war, dass Templeton nichts von meiner früheren Verbindung mit Hank O’Brien ahnte …«
Jerry wählte diesen Moment für einen lautstarken und nicht besonders überzeugenden Hustenanfall. Gordon funkelte ihn an; er fragte sich, was Jerry wusste oder was er zu wissen glaubte. Ein Großmaul wie O’Brien könnte sich durchaus einmal verplappert haben, und Gordon wand sich innerlich bei dem Gedanken, dass ihre schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit gewaschen werden könnte.
»Wie gesagt«, fuhr Patricia rasch fort, »das eröffnete uns eine fantastische Gelegenheit. Wir hatten O’Brien jahrelang bearbeitet, bis wir ihn von unserem Standpunkt überzeugen konnten.«
»Und der wäre?«
»Einfach ausgedrückt, dass Templeton uns etwas schuldig ist. Aufgrund unserer eigenen Erfahrung waren wir sicher, dass enorme Profite fließen würden, vieles davon auf betrügerische Weise erwirtschaftet. Wenn ein privates Unternehmen einen lukrativen öffentlichen Auftrag an Land zieht, ist das wie ein Blankoscheck. Wie viele von uns können behaupten, dass sie da nicht eine Null hinten dranhängen würden?«
»Oder drei Nullen?«, sagte Gordon.
Alle lachten höflich, und Stemper fragte: »Hat Hank das bestätigt?«
Gordon nickte. »Fast fünf Jahre lang hat er Beweise gesammelt, nicht nur in Großbritannien, sondern auch bei Tochtergesellschaften von Templeton rund um den Globus. In Kanada, Australien, Hongkong.«
»Ein Teil des Deals war, dass Hank darauf bestand, das belastende Material zu behalten, bis wir bereit wären zuzuschlagen«, erklärte Patricia. »Eine Entscheidung, die ich im Nachhinein bitter bereue.«
»Aber irgendwie verständlich, letzten Endes.« Das war wieder ein unerwarteter Gesprächsbeitrag von Jerry, der verblüfft wirkte, als alle ihn anstarrten. »Ich meine, das war nun mal seine Versicherung für den Fall, dass irgendetwas schiefgeht.«
»Er brauchte keine Versicherung«, sagte Patricia, doch Gordon wusste, dass das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Im Fall einer Katastrophe hätte ihre Ausstiegsstrategie darin bestanden, sämtliche Spuren zu beseitigen und Stemper damit zu beauftragen, alles aus dem Weg zu räumen, was ihnen bedrohlich werden
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