CATCH - Stunden der Angst: Thriller (German Edition)
unangezündete Zigarette, in der anderen ein Feuerzeug. In ihrer Miene lagen weder Angst noch Neugier.
»Ich komme von der Hausverwaltung«, sagte Stemper und drehte sich dabei so, dass sie die Bewegung automatisch nachvollzog und zur Seite trat, wodurch sich eine Lücke für ihn auftat. »Sicherheitsüberprüfung. Dauert höchstens zwei Minuten.«
»Aber haben die nicht …«
Schon schob er sich an ihr vorbei, den Aktenkoffer wie einen Schild zwischen sich und die Frau haltend. Diese krampfhafte Vermeidung jeglichen Körperkontakts würde ihre Bedenken zerstreuen helfen.
»Ich sollte Ihnen das eigentlich gar nicht sagen«, rief er, als sie die Tür hinter ihm zumachte. »Wir hatten Probleme mit den Panoramafenstern.«
Er hatte das Wohnzimmer erreicht, das einen überraschend ordentlichen Eindruck machte, und stellte seinen Aktenkoffer ab.
»Davon habe ich gar nichts mitgekriegt.«
»Die Scharniere haben versagt. Einer Ihrer Nachbarn ist nur ganz knapp einem Unglück entronnen.« Er deutete auf die Tür hinter ihr. »Ist das Ihr Freund oder Lebensgefährte?«
Sie drehte sich um, um zu sehen, was er meinte. »Es ist doch niemand außer mir …«
Er bewegte sich extrem schnell. Zum Teil war es das Adrenalin, zum Teil Übung, aber auch – das bildete er sich jedenfalls ein – ein angeborenes Talent. Stemper war zum Raubtier geboren.
Er packte ihren dominanten rechten Arm und griff ihr gleichzeitig in die Haare, um ihren Kopf nach hinten zu ziehen, während er ihr den Fuß gegen das Knie drückte und sie so zu Boden zwang. Das Feuerzeug glitt ihr aus der Hand und landete mit einem leisen Klappern auf dem Boden.
»Ich will Ihnen nicht wehtun, Traci. Aber Sie müssen mitspielen.«
»Wer sind Sie?« Sie kreischte nicht direkt, aber sie war zu laut. Er glitt mit der Hand an ihrem Arm herunter, fand den Druckpunkt direkt über ihrem Ellbogen und ließ sie kurz spüren, was richtige Schmerzen waren.
»Tun Sie, was ich sage, Traci. Beruhigen Sie sich. Seien Sie still und hören Sie zu.«
Diesmal gab sie nur ein resignierendes Quietschen von sich. Er kniete sich hinter sie, lockerte mit einer Hand seine Krawatte, zog sie ihr über den Kopf und schlang sie um ihren Hals – als improvisierte Schlinge sehr praktisch.
»Hank O’Brien – erinnern Sie sich an ihn?«
Ihr Körper spannte sich an, und sie wehrte sich in einem plötzlichen Anfall von Panik. Er unterband die Bewegung, indem er sie zehn Sekunden lang würgte und dann wieder locker ließ.
»Ein Freund von Ihnen hat versucht, in sein Haus einzubrechen. Sie haben ihn zu dieser Straftat angestiftet.«
»Ich … Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Traci«, sagte er ruhig und begann die Schlinge zuzuziehen. Sie schnappte nach Luft und bettelte ihn an aufzuhören.
»Ich hab ihm bloß erzählt, was passiert ist. Ich hab doch nicht geahnt, dass er …«
»Das interessiert mich nicht. Am Dienstagabend war O’Brien zusammen mit einer jungen Frau im Pub. Wie hat der Streit angefangen?«
»Äh … Er ist frech geworden, schätz ich mal. Sie hat ihn geschlagen, und dann sind zwei Typen dazwischengegangen.«
»Kannten Sie irgendeinen der Beteiligten?«
»Außer Hank niemanden, nein. Das sind doch die, nach denen die Polizei sucht. Die Männer, meine ich. Wer die Frau ist, wissen sie, glaube ich.«
»Beschreiben Sie sie.«
Wieder so ein panischer Kiekser. »Ähm, o Gott … äh, größer als ich. Schlank. Dunkelbraune Haare, schulterlang. Ziemlich hübsch. Guter Teint.«
»Alter?«
»Anfang dreißig vielleicht. Sie sah … seriös aus. Trug ein Kostüm. Ach ja, und so einen grünen Armreif. Hermès, glaube ich. Ist mir aufgefallen, als ich sie bedient habe.«
»Gut. Und jetzt erzählen Sie mir von den beiden Männern.«
Sie stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus, den er mit der typischen Trägheit von Teenagern assoziierte: Muss das wirklich sein? Seine Reaktion waren zehn lange Sekunden mit stramm zugezogener Krawatte.
»Beide Ende zwanzig vielleicht. Der eine war ein richtig scharfer Typ. Dunkle Haare, nicht direkt lockig, aber so gewellt. Sein Freund hatte hellbraune Haare.« Wieder ein Seufzer. »Hören Sie, das habe ich doch alles schon mit den Bullen durchgekaut. Die haben so Phantombilder gemacht. Die zeigen sie bestimmt im Fernsehen.«
»Aber Sie haben die beiden aus nächster Nähe erlebt. Sie haben ihre Stimmen gehört. Was für Akzente hatten sie? Haben sie sich gewöhnlich oder eher gebildet angehört?«
»Kein besonderer Akzent. Sie
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