Cathérine und die Zeit der Liebe
an dieser Erklärung zweifelte. Worauf sie, durch das Vertrauen ermutigt, das Marie ihr bezeigt hatte, ihrerseits ihrer neuen Freundin ihre Geschichte erzählte.
Es hatte lange Zeit in Anspruch genommen, aber Marie hatte sie von Anfang bis Ende angehört, ohne sie zu unterbrechen. Erst als die junge Frau ihren Bericht beendet hatte, seufzte Marie:
»Was für eine fabelhafte Geschichte! Also ist der geheimnisvolle Franke Euer Gatte? Und ich hielt dich … hielt Euch für ein armes Mädchen wie mich. Jetzt weiß ich, wo ich Euch gesehen habe: in Dijon, wohin mein Vater mich zur Messe mitnahm. Ich war noch sehr jung, aber ich habe die betörende Erinnerung an eine wunderbar schöne und wie die Sonne prächtige Dame nicht vergessen.«
»Du wirst finden, daß ich mich verändert habe!« bemerkte Cathérine etwas bitter. »Und es gibt gar keinen Grund, ›Ihr‹ zu mir zu sagen. Heute gibt es keine Schranke mehr zwischen uns.«
»Verändert?« meinte die Kleine ernst. »Gewiß, ihr habt Euch verändert, aber damals war Euer Schmuck fast im Wege, um Eure Schönheit wirklich schätzen zu können. Jetzt ist sie viel augenscheinlicher. Ihr seid anders, das ist alles!«
»Ich flehe dich an«, bat Cathérine artig, »behandle mich nicht wie eine große Dame! Einfach als Freundin, ich habe wirklich eine nötig.«
Worauf Marie freudig zugestimmt hatte, das zeremonielle Ihr beiseite zu lassen, und das Eis zwischen den beiden jungen Frauen war endgültig gebrochen, denn sie hatten sich als Komplicen gefunden, fast so eng wie durch Blutsbande miteinander verbunden. Marie, Cathérine mit Leib und Seele ergeben, wurde ihre Verbündete in Freud und Leid.
»Versprich mir, mich mitzunehmen, wenn du fliehst, und ich werde alles tun, um dir zu helfen! Du mußt unter Zobeida ja sehr leiden.«
»Wenn ich diesen Palast und diese Stadt verlasse, kommst du mit, ich schwöre es dir.«
Dann hatte das junge Mädchen ihrer neuen Freundin einige höchst interessante Dinge mitgeteilt.
»Du bist in Gefahr«, sagte sie zu ihr. »Wenn der Kalif nicht zurückkehrt, wirst du keine Stunde mehr leben.«
»Warum sollte er nicht zurückkehren?«
»Weil Haben-Ahmed Banu Saradj, der Großwesir, ihn fast ebenso haßt, wie er Zobeida begehrt, deren Liebhaber er vor der Ankunft des fränkischen Ritters war. Er will sich außerdem des Throns bemächtigen, um ihn mit der Prinzessin zu besteigen … und dieser sogenannte Aufmarsch Yusufs, des alten Kalifen und Vater Mohammeds, gegen seinen Sohn besagt gar nichts. Die beiden Männer lieben sich nicht, aber Yusuf ist der Macht überdrüssig. Es bedarf schon der Naivität seines Sohnes, um zu glauben, daß er einen Thron wieder einzunehmen wünscht, den er aus freien Stücken aufgegeben hat. Der Naivität und der Einflüsterungen Banu Saradjs … Ich fürchte sehr, daß der Herr in einen wohlvorbereiteten Hinterhalt geraten ist.«
»Dann«, sagte Cathérine erblassend, »bin ich also verloren?«
»Noch nicht! Mohammed ist zwar naiv, aber tapfer. Er ist ein Krieger, er kann sich durchschlagen. Deshalb begnügt sich Zobeida damit, dich bewachen zu lassen. Wenn ihr Bruder zurückkehrt, hat sie, wenn auch vielleicht etwas zu fürsorglich, über die Favoritin ihres vielgeliebten Bruders gewacht. Und wenn die Nachricht vom Tod des Kalifen hier eintrifft, lebst du keine Stunde länger!«
»Warum? Was habe ich getan?«
»Du nichts. Aber Zorah, die Ägypterin, hat dich aufs Korn genommen. Sie ist bei der Prinzessin wohlgelitten, der gegenüber sie immer eine widerliche Unterwürfigkeit an den Tag gelegt hat. Und da Zorah deinen Tod um jeden Preis will, hat sie Phantasie bewiesen … ich möchte sagen, fast Genialität, denn sie hat, ohne es zu wissen, die Wahrheit entdeckt!«
»Was willst du damit sagen?«
»Daß eine einzige Person es wagt, sich dem Kalifen zu widersetzen: Zobeida. Du mußtest sie dir zur erbarmungslosen Feindin machen. Dazu gab es ein Mittel: ihre Eifersucht auf alles, was mit dem fränkischen Kriegshelden zusammenhängt. Zorah machte sich die Tatsache zunutze, daß du aus demselben Land stammst, und hat der Prinzessin eingeflüstert, du seist in ihren Gefangenen verliebt und wolltest dich ihm nähern!«
Cathérine stieß einen Entsetzensschrei aus, erstickte ihn aber sofort mit zitternder Hand.
»Das hat sie gesagt? Mein Gott, dann bin ich verloren! Wie kommt es, daß ich nicht schon …«
»… den mongolischen Henkern ausgeliefert worden bin? Das genau hat Zorah gehofft, da sie
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