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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benzoni Juliette
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grellbunten Kleidung, den Ring der Knechtschaft im Ohr und wie die Kinder lachend in Erwartung des großen Schauspiels.
    Über allem lag eine Kirmesatmosphäre. Bis das Schauspiel begann, waren alle Possenreißer der Stadt aufs Manöverfeld gezogen, in der Gewißheit, dort ihr Publikum zu finden. Gaukler, Erzähler, die ihren Vortrag mit kurzen Trommelschlägen begleiteten, Schlangenbeschwörer, die ihre gefährlichen Pfleglinge sich in frenetischen Tänzen wiegen ließen, Akrobaten, noch gelenkiger als die Schlangen, Zauberinnen, die die Zukunft aus einem Weidenkorb mit schwarzen und weißen Muscheln lasen, näselnde Sänger, die Koranverse oder Liebesgedichte mit Muezzinstimme herunterleierten, alte graubärtige Hanswurste, deren Grimassen einen Sturm von Gelächter auslösten, Bettler und fleißige Taschendiebe – ein einziges Gebrodel in dem aufgewirbelten roten Staub, dazu der Geruch von Pferdemist und Stroh.
    Über dem Eingangstor der Alhambra erschienen einige Männer zwischen den Zinnen. Einer, groß und in ein orangegestreiftes Gewand gekleidet, ging den anderen voran, die, nachdem sie respektvoll die Hände gekreuzt hatten, seine Befehle zu erwarten schienen. Kalif Mohammed kam, um sich mit einem letzten Blick zu vergewissern, daß alles in Ordnung war und das Schauspiel beginnen konnte. Die Schwadronen der Reiter mit ihren spitzen Helmen und weißen Turbanen bezogen um den riesigen Platz Stellung. Auf den Türmen der Alhambra träumten Störche, unbeweglich auf einem Bein stehend … Inzwischen bereiteten in den Gemächern der Sultaninnen die Frauen unter Leitung der aufgeregten Morayma die augenscheinlich teilnahmslose Cathérine vor. In der Mitte des Gemachs stehend, zwischen Bergen von Schleiern, Seidenstoffen, neben offenen Kasten voller kostbarer Fläschchen, ließ sie sich wortlos, bewegungslos gleich einer Statue mit lebenden Augen anziehen. Man hörte im Gemach nur das Geschimpfe Moraymas, die nie mit der Arbeit der gereizt seufzenden Dienerinnen zufrieden war. Die Herrin des Harems nahm die Haltung einer Priesterin ein, die einen Ritus zelebriert, dessenungeachtet aber die Frauen anpfiff, die Cathérine Stück um Stück, von Kopf bis Fuß in Gold hüllten. Aus feinem goldbesticktem Leder waren die Pantoffeln, goldverziert und mit Smaragden besetzt die weiten Hosen aus goldschimmerndem Musselin. Das kurze Leibchen, das ihre Brust umschloß, war aus Goldbrokat. Juwelen im Übermaß vervollständigten ihre Kleidung: Reifen bis zur Mitte ihrer Arme, dicke Armspangen, eine Halskette mit großen, tropfenförmigen Smaragden bis zu den halb entblößten Brüsten des tiefen Dekolletés, schließlich ein fabelhafter breiter Gürtel, ein wahres Meisterwerk persischer Kunst, mit Diamanten, Rubinen und Smaragden besetzt, den Morayma mit einer Art respektvoller Furcht der jungen Frau um die Hüfte gelegt hatte: »Der Herr zeigt dir mit dem Geschenk dieses Gürtels seinen festen Vorsatz, dich zu seiner Gemahlin zu machen. Dieses Kleinod, einst vom Kalifen von Bagdad, Harun al-Raschid, für seine Lieblingsfrau bestellt, ist die Perle seines Schatzes. Nach der Plünderung des Palastes von Bagdad kaufte der Emir von Cordoba das Kleinod für seine Geliebte, und dann wurde es gestohlen. Der Seigneur Rodriguez de Bivar, el Cid, schenkte es seiner Gemahlin, Donna Ximena, aber später, nach ihrem Tod, kam der Gürtel wieder zurück. Alle Sultaninnen haben ihn an ihrem Hochzeitstag getragen …«
    Morayma verstummte. Cathérine hörte nicht hin. Seit einer Woche lebte sie wie eine Schlafwandlerin, in einer Art wachen Alptraums, der Morayma alsbald und dann den ganzen Harem mit abergläubischer Furcht erfüllt hatte. Der seltsame, tiefe Schlaf, in den sie seit der Festnahme ihres Gatten jeden Abend fiel, hatte Mohammed zuerst heftig erzürnt, dann aber in ein gewisses furchtsames Erstaunen versetzt. Nichts konnte diesen Schlaf bezwingen, der mehrere Nachtstunden währte, und es war, als hätten die Hände Allahs selbst die Augen der Gefangenen geschlossen. Anfänglich hatte man wohl an eine Droge gedacht, aber in dem Verhalten der jungen Frau, die scharf überwacht wurde, hatte sich nichts Anomales gezeigt. Mohammed war schließlich zu dem Schluß gekommen, daß es ein Zeichen des Himmels sei. Er durfte diese Frau, Gemahlin eines Mörders, nicht berühren, solange ihr legitimer Herr noch lebte, und nach dem dritten Abend hatte er es aufgegeben, sie zu sich zu beordern. Doch Morayma, abergläubisch bis zum Exzeß und

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