Cathérine und die Zeit der Liebe
als gute Tochter Judas Anhängerin der Geheimlehren, war nicht weit davon entfernt, in der neuen Favoritin ein außergewöhnliches Wesen zu sehen. Ihre Wortkargheit, ihr hartnäckiges Schweigen schienen ihr Anzeichen einer von unsichtbaren Geistern Gezeichneten zu sein.
Um die Wahrheit zu sagen, wirkte die Droge Abu al-Khayrs auf Catherines Bewußtsein immer nachhaltiger. Sie lebte durch den Tag in einer Art zweiter Existenz, ihr Geist war benebelt, was zumindest den Vorteil hatte, daß ihr Kummer und ihre Sorgen gedämpft und ihr Schmerz eingeschläfert waren. Ohne dies wäre sie wahnsinnig geworden, so unerträglich war ihr der Gedanke, daß Arnaud im Turm der Alhambra von Hunger, Durst und Schlaflosigkeit gequält wurde. Doch hatte Cathérine, beunruhigt über die Betäubung ihrer Sinne und Reflexe, an den beiden letzten Abenden der Woche die Rosenkonfitüre nicht angerührt und sich einfach schlafend gestellt. Am Hinrichtungstag wollte sie im Besitz aller ihrer Sinne sein.
Noch einen Tusch Kohle auf die Augenlider, und Morayma hüllte Cathérine in einen gewirkten bestickten Schleier, der das Bild eines fremden, barbarischen Idols vervollständigte.
»Es ist Zeit …«, flüsterte sie und bot ihr die Hand, um sie über die Schwelle zu führen. Aber Cathérine lehnte die dargebotene Hand ab. Sie war überzeugt, daß der Weg, den sie jetzt ging, zum Tode führte, daß ihr nicht mehr viel Zeit zu leben blieb und die fabelhaften Geschmeide, die man ihr angelegt hatte, nur der Ornat für das dem Tode bestimmte Opfer waren. Gleich würde sie Arnaud erdolchen, um ihm die fürchterlichsten Qualen zu ersparen, dann würde sie die Waffe flink gegen sich selbst richten, und alles wäre zu Ende. Ihre Seele würde mit der ihres Mannes in die blaue, warme Luft steigen, dieser Sonne entgegen, die bald hinter den schneebedeckten Bergen untergehen würde, und sie wären für immer vereint, von Schmerz, Zweifel und Eifersucht befreit, würden nur ein Stück fühllosen Fleisches in den Händen ihrer Henker zurücklassen. Alles in allem war dieser Tag ein schöner Tag, weil Cathérine und Arnaud nur noch nach der letzten Ruhe strebten …
Als die zukünftige Sultanin, von Frauen umgeben und einer starken Eunuchentruppe begleitet, im Rund erschien, hatten der Kalif und sein Gefolge bereits auf der erhöhten, grün-gold ausgeschlagenen Tribüne Platz genommen, die für ihn vorbereitet worden war. Die zahlreichen Spaßmacher der Menge hatten mit ihren Kunststücken aufgehört, aber es trat keine Stille ein. In der Menge ging es wie in einem aufgestörten Vogelhaus zu. Die Erscheinung der jungen Frau zügelte sie einen Augenblick. Inmitten der zarten blauen, rosenfarbenen, safrangelben oder mandelgrünen Schleier ihrer Frauen schimmerte sie geheimnisvoll, ihr funkelndes Geschmeide ließ sich unter der goldenen Wolke ihres Schleiers erraten. Still nahm Cathérine auf einer etwas niedrigeren Tribüne neben der des Kalifen Platz. Sie war mit blauer Seide verkleidet, und einige Stufen verbanden sie mit dem Sand der improvisierten Arena. Schweigend sah auch Mohammed die junge Frau sich nähern, strich mit nervöser, mechanischer Gebärde über seinen blonden Bart. Ihre Blicke kreuzten sich, aber unter dem Eindruck ihrer wild funkelnden Augen wandte er den Blick ab. Stirnrunzelnd schenkte er seine Aufmerksamkeit der Arena, wo eine Truppe junger berberischer Tänzer zum Klang einer näselnden, klagenden Musik aufgetreten war. In lange weiße Gewänder gekleidet, mit Juwelen bedeckt und wie Mädchen geschminkt, Stirn und Taille mit roten Seidenkordeln umbunden, lag auf den außergewöhnlich zarten Gesichtern dieser hübschen Jünglinge ein versteinertes Lächeln. Mit ihren behenden Füßen stampften sie auf den Boden, sie bogen sich wollüstig in den Hüften, ahmten in einem fremdartigen Tanz mit komplizierten Figuren die Bewegungen der Liebe nach. Einige sangen mit hohen Kopfstimmen, sich selbst auf dreisaitigen, schrill klingenden Geigen begleitend, andere schlugen mit ihren Fingern Kastagnetten aus Bronze zum Takt ihrer Schritte.
Diese zweideutigen Tänze mißfielen Cathérine, die den Kopf abwandte, eine Bewegung, die ihr haßerfüllte Blicke der jungen Tänzer eintrug, aber sie konnte ihre gezierten Bewegungen das Weichlich-Weibische ihrer Attitüden auf diesem Fest des Todes nur mit Mühe ertragen. Denn es war das Fest des Todes. Diese Menge war gekommen, um Blut zu sehen!
Oben, in der königlichen Moschee, dröhnten dumpf die
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