Cathérine und die Zeit der Liebe
Verurteilten richten«, flüsterte die alte Jüdin ängstlich. »Glaube mir! Trotze ihm nicht offen! Die Mächtigen zahlen ihre Demütigungen grausam heim. Man weiß das in meinem Volk.«
Cathérine antwortete nicht, hatte aber verstanden. Wenn der Kalif ihr in seinem Zorn die furchtbare Gunst wieder entzöge, die er ihr aufgezwungen hatte? Wenn er sie daran hinderte, die entsetzlichen Qualen ihres Geliebten abzukürzen, die das häßliche Arsenal der Folterwerkzeuge der Henker voraussehen ließ? Langsam setzte sie sich wieder auf ihren Platz, aber sie zitterte am ganzen Leib. Ihr war, als sei sie im Begriff zu sterben, und sie versuchte, mit aller Kraft gegen die Schwäche anzukämpfen, die sie befiel. Doch ihre ganze Seele, ihr ganzes Leben war in ihren Augen konzentriert, die sich fest auf den todgeweihten Mann richteten.
Die Henkersknechte hoben ihn auf das Gerüst, richteten ihn am Kreuz auf, die Hände offen an den Querbalken gelegt, doch ohne sie festzubinden. Alsbald zischte etwas durch die Luft, was die Menge mit Freudenrufen und Arnaud mit einem schweren Stöhnen quittierte. Am Fuße der Kalifentribüne postiert, hatten zwei Bogenschützen angelegt, und ihre Pfeile, mit teuflischer Präzision abgeschossen, hatten sich genau in die Mitte der geöffneten Hände gebohrt und sie ans Kreuz genagelt. Arnaud war erblaßt, während der Angstschweiß ihm die Wangen herunterrann. Die »Ju! … Ju!«-Rufe der hysterischen Frauen erfüllten die laue Luft, der die untergehende Sonne einen veilchenblauen Schimmer gab. Cathérine war erneut mit einem Schrei aufgesprungen. Einer der Henkersknechte zog aus einem Kohlenofen einen langen, im Feuer geröteten Eisenstab und ging jetzt auf den Verurteilten zu, von den begeisterten Rufen des Volkes angespornt.
Wutentflammt riß Cathérine sich von Morayma los, die vergebens versuchte, sie zurückzuhalten, stieg in die Arena hinunter und stellte sich direkt vor Mohammed auf. Sofort schwieg die Menge, und der Henkersknecht hielt vor Erstaunen in seinem Tun inne. Was wollte diese in Gold gekleidete Frau, von der es in der ganzen Stadt hieß, daß der Kalif sie noch am selben Abend heiraten werde? Catherines Stimme hob sich, durchdringend, anklagend:
»Ist es das, Kalif, was du mir versprochen hast? Willst du so dein Wort halten? Sofern du überhaupt weißt, was das heißt?« Sie hatte französisch gesprochen, in einem letzten Bemühen, diesen Mann, der sie in der Hand hatte, rücksichtsvoll zu behandeln. Wenn sie ihn vor seinem Volk demütigte, hätte dies sicher entsetzliche Folgen … Aber ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen des blondbärtigen Kalifen.
»Ich wollte nur sehen, wie du darauf reagieren würdest, Licht des Morgens. Du kannst den Schritt tun, den ich dir erlaubt habe, wenn dies dein Wunsch ist …«
Er erhob sich, beherrschte mit seinem gebieterischen Blick die wartende Menge:
»Hört, getreue Untertanen des Königreichs Granada! Heute abend wird die Frau, die ihr an meiner Seite seht, meine Gemahlin. Sie besitzt mein Herz, und ich habe ihr als Hochzeitsgeschenk das Vorrecht gewährt, mit eigener Hand den Mörder meiner geliebten Schwester zu töten. Es ist gerecht, daß der, welcher eine Frau getötet hat, durch die Hand einer Frau stirbt!«
Das enttäuschte Grollen des Volkes dauerte nur einen Augenblick. Die vor der Tribüne aufgestellte Kompanie Bogenschützen hatte ihre Bogen gehoben. Man protestierte nicht, wenn der Kalif gesprochen hatte.
Der flehende Blick Catherines suchte den Abu al-Khayrs, aber der kleine Arzt hatte sich nicht gerührt. Bestimmt schlief er fest; das Herz der jungen Frau wurde schwer vor Gram: Er ließ sie im grausamsten Augenblick im Stich! Er war wie viele: Das Leben war ihm teurer als die Freundschaft …
Indessen kniete ein Sklave vor ihr nieder und hob eine goldene Platte, auf der der Dolch der Montsalvy unheilverkündend blitzte. Cathérine ergriff ihn begierig. Er schmiegte sich ganz natürlich in ihre Hand wie ein zutraulicher Vogel. Endlich hatte sie Arnauds und ihre Errettung in der Hand!
Sich in voller Größe aufrichtend und Mohammed mit funkelnden Augen trotzend, riß sie sich mit herausfordernder Bewegung den goldenen Schleier vom Gesicht.
»Ich bin weder deiner Rasse noch deines Glaubens, Sultan! Vergiß das nicht!«
Dann wandte sie sich stolz auf den Fersen um und schritt auf das Gerüst zu. Die Stunde ihres größten Triumphes war gekommen! In einem Augenblick würden ihre Seele und die ihres Gatten
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