Cathérine und die Zeit der Liebe
freundlich anlächelnd. »Wir werden noch anderes zu spüren bekommen!«
Dann setzte sie sich mit Ermengarde auf einen Felsbrocken unter dem Schutzdach der kleinen Kapelle, in welche die Nonnen soeben eingetreten waren. Man hatte beschlossen, die Frauen zuerst hineingehen zu lassen, damit die frommen Schwestern so schnell wie möglich in ihr Kloster zurückkehren konnten. Aber einige Männer, voran Gerbert, unterzogen sich freiwillig draußen der peinlichen Untersuchung. Glücklicherweise ließ der Regen einen Augenblick nach.
»Dieses Land ist schön!« sagte Cathérine, auf den zu ihren Füßen liegenden grau-grün-blauen Talkessel weisend.
»Das Land ist schön«, entgegnete Ermengarde spöttisch, »aber mir wär's lieber, wenn wir es schon weit hinter uns hätten! Ah, da kommen meine Frauen heraus. Gehen wir hinein! Helft mir!« Einander stützend, traten die beiden Freundinnen in die Kapelle. Drinnen war es kalt, feucht, es herrschte ein ekelerregender Schimmelgeruch, und die alte Dame fror trotz ihrer warmen Kleidung.
»Macht schnell, ihr zwei!« herrschte sie die beiden Nonnen an. »Und habt keine Angst, ich habe noch nie jemand gefressen«, fügte sie witzelnd hinzu, als sie ihre verstörten Mienen sah. Sie waren beide jung und von dieser großen, starken Frau sichtlich beeindruckt, die mit solcher Selbstsicherheit sprach. Das hinderte sie jedoch nicht, sich mit minutiöser Genauigkeit der Durchsuchung hinzugeben, der Ermengarde sich mit einem ungeduldigen Aufstampfen unterwarf. Darauf wandte die Ältere der beiden sich an Cathérine, die darauf wartete, an die Reihe zu kommen. »Nun zu Euch, meine Schwester!« sagte sie, indem sie zu ihr trat. »Zuerst reicht mir diesen Almosenbeutel an Eurem Gürtel.«
Wortlos nahm Cathérine die große Tasche aus dickem Leder ab, in der sie ihren Rosenkranz, etwas Gold, den langen Dolch, den sie immer bei sich trug, und den gravierten Smaragd der Königin Yolande verstaut hatte. Die gewollte Einfachheit ihrer Pilgerausstattung gestattete ihr nicht, ein Schmuckstück dieses Werts am Finger zu tragen, andererseits wollte sie sich auch nicht von ihm trennen. Um so weniger, als sie auf dem Weg zu den spanischen Landen war, aus denen die Herrscherin stammte und in denen ihr Wappen eine Hilfe bedeuten konnte, wie Yolande ihr selbst gesagt hatte.
Die Nonne leerte den Beutel auf den schmalen steinernen Altartisch aus, und als sie den Dolch sah, warf sie Cathérine einen schrägen Blick zu.
»Ein merkwürdiger Gegenstand für eine Frau, die nichts anderes als ihr Gebet zur Verteidigung haben soll.«
»Dieser Dolch gehört meinem Gatten!« erwiderte die junge Frau trocken. »Ich trenne mich nie von ihm, und ich habe gelernt, mich gegen Straßenräuber zu verteidigen!«
»Die davon zweifellos sehr beeindruckt sein würden!« meinte die Schwester, auf den Ring deutend. Cathérine geriet in Wut. Ton und Benehmen dieser Frau mißfielen ihr. Sie konnte sich nicht enthalten, ihr eins drauf zugeben.
»Königin Yolande, Herzogin von Anjou und Mutter unserer Königin, hat ihn mir selbst geschenkt. Habt Ihr dagegen etwas einzuwenden? Ich bin …«
»Eine große Dame zweifellos«, unterbrach die andere mit spöttischem Lächeln. »Das ahnt man gleich, wenn man diese Dinge sieht. Aber was habt Ihr dazu zu sagen … edle Dame?«
Unter den verblüfften Augen Catherines hatte sie ein kleines Linnentuch auseinandergefaltet, das die junge Frau noch nicht bemerkt hatte. Und auf seiner zweifelhaften Weiße funkelten in herrlichem Dunkelrot wunderbar die fünf Rubine von Sainte-Foy …
»Was ist das?« rief Cathérine. »Ich habe sie noch nie gesehen. Ermengarde!«
»Das ist Hexerei!« rief die dicke Dame. »Wie sind diese Steine hierhergekommen? Es muß …«
»Hexerei oder nicht, wir behalten sie!« sagte die Schwester. »Und Ihr werdet Euch für diesen Diebstahl verantworten müssen.«
Mit einer Hand packte sie Cathérine am Arm und zog sie hinaus. Dabei rief sie:
»Meine Brüder! Halt! Wir haben die Rubine! Und hier ist die Diebin!«
Mit einer schroffen Bewegung riß Cathérine, rot vor Zorn und Scham angesichts all der Augenpaare, die plötzlich auf sie gerichtet waren, ihren Arm aus der harten Hand der Nonne.
»Das ist nicht wahr! Ich habe nichts genommen! … Diese Steine haben sich, ich weiß nicht, wie, in meinem Almosenbeutel gefunden … Sie müssen hineingesteckt worden sein.«
Das Zorngemurmel der Pilger schnitt ihr die Rede ab. Sie begriff mit Schrecken, daß sie
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