Cathérine und die Zeit der Liebe
aufgerissenen Augen, schritt er wie schlafwandlerisch auf das Feuer zu, unempfindlich gegenüber dem immer dichter werdenden Rauch, der in die große Galerie drang.
»Schaut«, flüsterte Josse. »Er sieht uns nicht einmal!«
Tatsächlich kam der Junge wie ein Nachtwandler näher. Die Fackel in der Hand, gleich einem gefallenen Engel der Rache und des Hasses, schien er sich in Trance zu befinden. Seine Lippen bewegten sich krampfhaft. Cathérine verstand im Vorbeigehen nur das Wort ›fuego ‹ … Tomas kam ganz nahe an ihr vorüber, ohne sie zu sehen. Sie hustete.
Er hörte nichts, schritt inmitten der schwarzen Rauchwolken weiter auf das Feuer zu.
»Was sagt er?« fragte die junge Frau leise.
»Das Feuer sei schön, das Feuer sei heilig! Es reinige! Der Herr des Feuers steige zu Gott empor! … Dieses Schloß des bösen Geistes müsse brennen, auf daß die Seelen seiner Bewohner befreit zu Gott zurückkehrten … Er ist vollkommen wahnsinnig, ein Besessener«, sagte Josse und fügte schnell noch hinzu: »Er hat die Tür der Galerie hinter sich nicht wieder geschlossen. Machen wir uns das zunutze, fliehen wir, und schlagen wir Lärm!«
Cathérine folgte Josse, drehte sich jedoch auf der Schwelle noch einmal um. Die Rauchwolken hatten die schlanke weiße Gestalt fast verschluckt.
»Aber …«, sagte die junge Frau, »er wird verbrennen.«
»Das wäre das Beste, was ihm passieren könnte … ihm und den anderen«, brummte Josse, Cathérine mit entschlossener Hand hinausziehend. Sie bemühte sich, Schritt mit ihm zu halten, aber ihre bloßen Füße verfingen sich in den flatternden Falten der Bettdecke, die sie als einziges einhüllte. So eilte sie dahin, von der nervösen Hand Josses gezogen, prallte jedoch plötzlich gegen ein Möbelstück und stieß einen Schmerzensschrei aus. Josse fluchte zwischen den Zähnen, als er aber sah, daß Tränen in ihren Augen standen, stützte er sie während der letzten paar Meter, bis sie die frische Luft erreichten.
Bislang waren sie keiner Menschenseele begegnet, doch im Hof war die Aufregung auf dem Höhepunkt angelangt. Ein Schwarm von Dienern, Bewaffneten, Mönchen und Hausmädchen rannte völlig kopflos wie ein Volk aufgescheuchter Hühner hin und her und stieß schrille Schreie aus. Zwischen dem großen Brunnen des Hofes und dem Eingang zu den Gemächern des Erzbischofs reichte eine Kette von Sklaven unaufhörlich gefüllte Wassereimer weiter, in dem Versuch, die Flammen zu löschen, welche schon an den Türen und Fenstern des Stockwerkes leckten. Schreie, Wehklagen und Gebete gleichermaßen wurden wortreich herausgestoßen.
Die Aufregung im Hof war hervorgerufen worden, weil man soeben erst die zweite Feuerstätte des Brandes entdeckt hatte, wodurch die Bewohner des Schlosses den Kopf verloren, weil sie glaubten, das Feuer sei an allen vier Ecken des Gebäudes gelegt worden.
Dieser Hof mit den roten, schimmernden Wänden, auf denen die Flammen sich spiegelten, dazu die sich wie wahnsinnig gebärdenden Menschen gaben Cathérine eine ausgezeichnete Vorstellung von der Hölle. Sie zitterte mehr aus Erregung als vor Kälte, denn die Nacht war milde, und der Brand erhöhte die Temperatur; sie wickelte sich noch fester in die Bettdecke, die ihre Blöße bedeckte, und suchte Zuflucht unter den Arkaden, wandte den besorgten Blick zum Hauptturm, der schweigend und düster abseits zu stehen schien.
»Gauthier!« murmelte sie. »Wo ist Gauthier? Er muß von diesem ohrenbetäubenden Lärm etwas gehört haben …«
»Die Mauern des Turmes sind außergewöhnlich dick«, bemerkte Josse, »und dann hat er vielleicht einen festen Schlaf …«
Doch wie um ihn Lügen zu strafen, schien die Sklavenkette, die sich angeschickt hatte, zu dem von Cathérine vorher bewohnten Flügel zum Löschen zu eilen, auseinanderzustieben. Die Mauern stürzten in einem Getöse von umgestoßenen Eimern, wie von einem Sturm getrieben, auf den Mittelpunkt des Hofes zu, und Gauthier tauchte auf der Schwelle auf. Mit dem Kopfverband, den er noch trug, und in der langen Dschellaba, mit der man ihn ausstaffiert hatte, sah er den Ungläubigen, die er zurücktrieb, sehr ähnlich, die aber im Vergleich zu ihm, dem Riesen, zwergenhaft wirkten. Vor ihm, fest in seiner Riesenfaust gepackt, taumelte eine magere, weiße Gestalt und streckte sich schließlich, fast zu Füßen Catherines, auf dem Boden aus. Es war – Tomas …
Er hob die Augen zu der jungen Frau empor, sein Blick war nach wie vor der
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