Cato 01 - Im Zeichen des Adlers
Narcissus’ Bestürzung bereits verbeugte. Dieser Narr! Wenn die Legionäre auch nur den Verdacht schöpfen sollten, dass alles so abgesprochen worden war … doch dafür war zu viel Wein geflossen, und nun waren die meisten völlig gefangen von der Vorstellung, die man ihnen bot.
Narcissus erhob sich unvermittelt und sprang über die Einfassung der Loge. Er schritt in die Mitte der Arena und hob die Hände.
Damit hatten die Legionäre nicht gerechnet; sie verstummten und harrten gespannt der Dinge, die da kommen mochten. Einige wenige tuschelten miteinander, wurden jedoch von ihren Kameraden genötigt zu schweigen.
Als es still geworden war im Amphitheater, reckte Narcissus in einer dramatischen Geste den Arm.
»Meine Freunde! Römer! Legionäre! Hört mich an!«, rief er mit tiefer, dröhnender Stimme. »Ihr alle kennt mich. Ich bin der Sekretär des Kaisers, und wenngleich ich bloß ein Freigelassener bin und nicht in Claudius’ Namen sprechen darf, so betrachte ich mich doch ebenso sehr als Römer wie jeder Einzelne von euch.«
Die Legionäre reagierten verstimmt darauf, dass Narcissus so dreist das Römertum für sich reklamierte und den feinen Unterschied zwischen einem römischen Bürger und einem Freigelassenen gänzlich außer Acht ließ.
»Ich wiederhole, im Herzen bin ich ein ebensolcher Römer wie ihr alle!« Er riss sich die Tunika auf und entblößte seine weiße Brust. Einige Legionäre kicherten unwillkürlich. »Und weil ich, bis auf den Namen, ein Römer bin, will ich, Narcissus, euch sagen, dass mich tief betrübt, was ich sehe. Dass die Männer, die ich als meine Mitbürger betrachte, sich gegen die heldenhaften römischen Generäle erheben, denen zu dienen ihr die Ehre habt und für die ihr mit Freuden euer Leben lassen solltet, macht mich schaudern! Dass ein großer Mann, der einer der bedeutendsten Familien entstammt – ich spreche von Aulus Plautius!« Narcissus deutete auf den General. »Dass dieser Mann die Schande eurer verräterischen Meuterei erdulden muss, bringt mich zum Weinen!«
Narcissus wandte sich halb ab und barg das Gesicht in einer Falte seiner Tunika, während sein Leib von gewaltigen Schluchzern geschüttelt wurde. Einige Soldaten lachten ganz unverhohlen über die Schmierenkomödie des Freigelassenen.
Narcissus atmete tief durch und wandte sich mit tränenüberströmten Gesicht wieder dem Publikum zu. »FEIGLINGE! Undankbare Feiglinge seid ihr, die ihr es wagt, euch Römer zu nennen! Wenn ihr schon nicht dem tapferen, vielfach ausgezeichneten Plautius folgen wollt, dann unterstützt wenigstens einen Mann, der bereit ist, sein Bestes zu geben! Ich werde Britannien erobern! Notfalls auch allein. Also leiht mir eure Waffen!«
Der kaiserliche Sekretär reckte dem Publikum die Arme entgegen und bat darum, ihm die Waffen zu geben.
»Also gut, du alter Mistkerl, nimm das hier!« Ein Legionär stand auf und schleuderte sein Schwert auf Narcissus, der erschreckt zurückwich. Die anderen Soldaten folgten dem Beispiel des Schwertwerfers, und schon regneten Schwerter und Dolche in die Arena hinab, während Narcissus sich eilends in Sicherheit brachte, wobei er versehentlich auf den Saum seiner zerrissenen Tunika trat und der Länge nach hinfiel. Die Legionäre brüllten vor Lachen.
Vespasian lächelte, beherrschte sich jedoch gleich wieder, als Narcissus abermals zu Boden ging. Das Gesicht von Beschämung und Zorn gerötet, sprang der kaiserliche Sekretär auf die Beine und hob eines der Schwerter auf.
»Ihr lacht mich aus? Ihr wagt es, mich auszulachen? Ich bin bereit zu kämpfen. Ich sitze nicht auf meinem fetten Arsch und drehe Däumchen. Ich bin hier der Einzige, der bereit ist, mit dem Schwert und dem glorreichen Adler den Barbarenhorden entgegenzutreten!«
Einige der Männer schütteten sich aus vor Lachen angesichts des lächerlichen Spektakels, und Narcissus rannte zum Rand der Bühne und schwenkte vor den Männern das Schwert, wobei er sich mit dem Schwung vollkommen verschätzte. Er drehte sich um die eigene Achse und rammte die Schwertklinge in den Sand zu seinen Füßen. Japsend schnappte er nach Luft.
»Ich bin schwach, denn ich habe ein Leben lang Rom gedient, und dennoch würde ich tun, wovor ihr euch fürchtet. Und ihr wollt Römer sein! Weshalb sollte ich euch bitten, zu euren Offizieren zurückzugehen? Weshalb sollte ich auch nur fragen? Nein – ich befehle euch, die Meuterei zu beenden. Ich befehle es!«
Das war zu viel für die Soldaten, sie johlten
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