Cato 02 - Im Auftrag des Adlers
Cato glaubte noch nicht das Alter erreicht zu haben, wo ihn die Meinung anderer über ihn kalt gelassen hätte. Vor allem kämpfte er darum, sich Achtung zu erringen, und so wollte er von Nisus wenigstens eine Erklärung für den plötzlichen Rückzug.
Doch Nisus war weder im Feldlazarett noch in seinem eigenen Zelt, auch saß er nicht unten bei der Anlegestelle. Schließlich kehrte Cato ins Feldlazarett zurück und erkundigte sich bei einem der Pfleger nach ihm.
»Nisus?« Der Pfleger hob die Augenbrauen.
Cato nickte, und plötzlich zuckte ein Moment des Wiedererkennens über das Gesicht des Pflegers.
»Du bist doch dieser Freund von ihm, oder? Ich hätte gedacht, du weißt Bescheid.«
»Bescheid?« Cato gefror fast das Blut in den Adern. »Ich war nicht im Lager. Was ist geschehen?«
»Nisus ist weg.«
»Weg?«
»Verschwunden. Seit zwei Tagen. Verließ einfach das Lager zum Fischen und kehrte nicht wieder zurück.«
»Wer hat ihn zuletzt gesehen?«
»Ich weiß nicht.« Der Pfleger zuckte mit den Achseln. »Er wollte jemanden beim Fluss treffen, tauchte aber nicht auf. Derjenige erstattete dann sofort Bericht.«
»Wen wollte er denn treffen?«
»Einen Tribun. Den hiesigen Obertribun.«
Vitellius. Cato nickte langsam.
38
Erst gegen Mittag erreichte Vespasian den letzten der befestigten Vorposten, die einen Ring um das Hauptlager bildeten. Er hatte seine Inspektion nicht angekündigt, da er die Funktionsfähigkeit einer jeden Garnison im Alltagsdienst überprüfen wollte, statt sich mit der üblichen Darbietung für den Besuch hochrangiger Offiziere abspeisen zu lassen. Vespasian stellte erfreut fest, dass er jedesmal beim Heranreiten an eine Befestigung aufgehalten wurde und ihm der Zutritt so lange standhaft verwehrt blieb, bis er das korrekte Passwort nannte. Hinter den Toren waren die meisten Lager gut organisiert, die Infanteriewaffen lagen griffbereit, und auf den Rampen für die Katapulte war ein angemessener Munitionsvorrat gestapelt.
Auch das letzte befestigte Lager stellte da keine Ausnahme dar, und als Vespasian mit seiner berittenen Eskorte durchs Tor trabte, stieß er sogleich auf eine Legionärsreihe, die den Eingang wie ein Riegel versperrte. Der Optio gab Befehl, das Tor zu schließen, sobald der letzte Begleiter des Legaten drinnen war.
»Was ist denn das, Cato?« Vespasian zeigte beim Absteigen auf die Legionäre. »Eine Ehrengarde?«
»Eine Vorsichtsmaßnahme, Herr.« Cato salutierte. »Das Tor ist immer die Schwachstelle der Verteidigung.«
»Archimedes?«
»Ja, Herr. Aus seiner Abhandlung über den Belagerungskrieg. «
»Nun, er hat Recht, und du tust gut daran, dich an ihm zu orientieren. Wie viel Mann seid ihr?«
»Vierzig, Herr. Die eine Hälfte. Und vierzig Mann im nächsten Außenposten, befehligt von Zenturio Macro.«
»Dann habt ihr jetzt also wieder volle Sollstärke und zudem eine handverlesene Mannschaft. Von jetzt an erwarte ich nur noch Spitzenleistungen von der Sechsten Zenturie der Vierten Kohorte. Es liegt an euch, mich nicht zu enttäuschen.«
»Jawohl, Herr.«
»Na schön, dann wollen wir uns mal umschauen.«
Vespasian marschierte los, um die Inspektion zu beginnen, hinter sich den nervösen Optio. Die Zelte wurden auf lose Spannseile, offene Säume und unordentlich verstautes Bettzeug untersucht, die Latrine wurde daraufhin begutachtet, ob bereits der Stand erreicht war, wo sie zugeschüttet und eine neue gegraben werden musste. Dann erkletterte Vespasian den Erdwall und schritt die Palisade ab. Auf der Artillerierampe überprüfte er aufmerksam den Mechanismus der Winde, ob genug Schmierfett verwendet wurde, und sog billigend den Geruch des Leinsamenöls auf den Spannsehnenbündeln ein. Gerade hantierte er am Höhenrichtmechanismus, als er einen Ruf vom Wachturm hörte.
»Feind in Sicht!«
Der Legat und der Optio schauten rasch zur dunklen Silhouette des Wächters auf dem hölzernen Turmgestell hoch über ihnen auf.
»Woher und wie stark?«, brüllte Cato.
»Von Westen, Herr. Vielleicht zwei Meilen entfernt.« Der Wächter wies mit seinem Speer die Richtung. »Ein kleiner Trupp Reiter, vielleicht fünfzehn oder zwanzig Mann. Kommen direkt auf uns zu.«
»Los!« Vespasian eilte zur rauen Holzleiter des Wachturms voran. Er schob sich durch die Öffnung der Wächterplattform und trat neben den Wächter, während Cato noch hinterherkletterte.
»Da drüben, Herr.« Der Wächter zeigte mit der Speerspitze auf einen Hügel in der Ferne. Vespasian
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