Cato 04 - Die Brüder des Adlers
schickte Macro seine Leute zur Ruhe. Sie hatten sich auf dem Boden neben ihren Waffen zusammengerollt, dunkle, von Fackelschein flackernd beleuchtete Gestalten. Vericas Haussklaven hatten den Auftrag erhalten, den erschöpften Verteidigern Essen und Trinken aus der königlichen Küche zu bringen, und die Leibwächter des Königs übernahmen die Wache. Hinter der Umfriedung lag das Durcheinander der strohgedeckten Hütten ruhig da, und es war weder das Flehen um Gnade noch das entsetzte Geschrei zu hören, von dem der Fall einer Stadt normalerweise begleitet wurde.
Macro saß da und betrachtete mit schief gelegtem Kopf die Trümmer des niedergebrannten Tors. Der einzige Lärm, der in der Ferne zu hören war, war gelegentliches Hundegekläff und hin und wieder ein Befehlsruf der Durotriges.
Nach einer Weile gab Macro auf und stieß Cato an, der kurz zuvor eingeschlafen war.
»Hörst du was?«
In der Erwartung, dass Macro das Nahen des Feindes entdeckt hatte, richtete Cato sich auf die Ellbogen auf und blinzelte mit schmerzenden Augen.
»Was? Was ist los?«
»Sch! Horch …«
Cato richtete sich auf und lauschte, doch alles war still. »Ich höre nichts.«
»Das meine ich ja«, erwiderte Macro. »Es sollte mehr Lärm zu hören sein. Sie haben die Stadt eingenommen und sollten sich über ihre Beute hermachen.«
Cato schüttelte den Kopf. »Sie versuchen, die Atrebates für sich zu gewinnen. Ich bezweifle, dass Tincommius den Kriegern irgendwelche Vergewaltigungen und Plündereien durchgehen lässt. Nicht, wenn er so intelligent ist, wie seine Aufgabe es verlangt.«
Macro sah Cato an, die Gesichtszüge von der Dunkelheit verhüllt. »Du bewunderst ihn?«
»Nein. Keinesfalls. Er ist ein Narr. Wenn es ihm gelingt, die Atrebates gegen uns aufzuhetzen, gibt es für den Stamm kein Entrinnen mehr. So einen König kann ein Volk wirklich nicht brauchen.«
»Nein …« Macro sah zur Seite. »Da ist noch etwas, was mir Sorgen bereitet.«
»Nämlich?«
»Tincommius hat Caratacus’ Kommen angekündigt.«
»Ja und?« Cato rieb sich die Augen. »Was macht das für einen Unterschied? Wir sind ohnehin nicht mehr lange auf dieser Welt.«
»Mag sein. Was aber, wenn Quintillus die Legion gefunden hat?«
»Ich glaube kaum, dass der Tribun es so weit geschafft hat. Sie haben ihn bestimmt geschnappt.«
»Was aber, wenn nicht? Was, wenn er die Legion erreicht hat und Vespasian Entsatz schickt?«
Cato schwieg einen Moment und antwortete dann: »Wir können nur hoffen, dass der Tribun es nicht geschafft hat. Besser, ein paar hundert Mann verlieren als ein paar tausend. «
»Richtig. Für uns liegt das auf der Hand, aber nicht für Vespasian. Er kann nur von jenen Gegnern wissen, die uns in den Hinterhalt gelockt haben. Deren Truppenstärke wird selbst dieser Feigling Quintillus kaum so sehr überschätzt haben, dass er den Legaten zurückhält. Sollte Vespasian kommen, bringt er den größten Teil der Legion mit und läuft damit Caratacus direkt in die Arme.«
Cato dachte einen Moment lang schweigend über diese schreckliche Möglichkeit nach. Er sah Macro an. »Dann müssen wir ihn warnen, falls Tincommius wirklich die Wahrheit gesagt hat.«
»Wie denn?«, entgegnete Macro säuerlich. »Wir sind umzingelt. Sobald irgendjemand einen Ausbruchsversuch unternimmt, werden sie ihn schnappen, und derjenige kann noch von Glück sagen, wenn sie ihn an Ort und Stelle umbringen. «
»Jemand muss es trotzdem versuchen«, erklärte Cato ruhig. »Falls überhaupt die Möglichkeit besteht, dass der Legat zu unserer Rettung unterwegs ist.«
»Nein. Es ist sinnlos. Wir brauchen hier jeden einzelnen Mann.«
»Was macht das schon für einen Unterschied«, beharrte Cato. »Am Ende sind wir so oder so alle tot. Lass mich gehen. «
»Nein. Du bleibst. Das ist ein Befehl. Ich schicke niemanden auf ein idiotisches Himmelfahrtskommando. Wie schon gesagt, es ist bestimmt kein Entsatz zu uns unterwegs. Uns bleibt nichts anderes übrig, als weiterzumachen und so viele von diesen Dreckskerlen mit uns zu nehmen wie möglich.«
»Oder uns zu ergeben und es darauf ankommen zu lassen. «
»Was für Aussichten!« Macro lachte rau. »O ja, vielleicht verschonen sie unsere einheimischen Männer, und sie könnten sogar Verica so lange am Leben lassen, dass er seinen Verwundungen erliegt. Aber uns nicht. Für uns haben sie mit Sicherheit irgendwas Besonderes geplant. Darauf kannst du zählen.«
»Na gut«, räumte Cato ein. »Aber vielleicht lassen sie
Weitere Kostenlose Bücher