Cato 04 - Die Brüder des Adlers
Hilfe zu holen.«
»Durchaus«, Macro lächelte zuckersüß. »Und ich hatte auch nicht unterstellt , dass du ein Feigling bist – Herr.«
»Genug!«, wiederholte Vespasian. »Zenturio Cato, nach Lage der Dinge dürften Tincommius’ Aussagen vernachlässigenswert sein. Schließlich ist es ihm mehr als einmal gelungen, einen römischen Offizier in die Irre zu führen.«
Quintillus presste die Lippen zusammen.
Wäre Cato nicht so erschöpft gewesen, hätte er gegenüber dem Kommandanten der Zweiten Legion vielleicht mehr Respekt gezeigt, doch er musste ihm den Ernst der Lage eindringlich klarmachen. »Herr, er sagte, dass Caratacus und seine Armee morgen hier eintreffen. Wenn wir Calleva bis dahin nicht weit hinter uns gelassen haben …«
»Ich habe meine Entscheidung getroffen, Zenturio. Wir bleiben. Ich schicke die Kundschafter beim ersten Tageslicht los. Sie können uns bei Gefahr warnen.«
»Dann ist es vielleicht schon zu spät, Herr.«
»Schau mal, dieser Tincommius ist ein Lügner. Er hat dich hereingelegt.«
»Er hat uns alle hereingelegt, Herr.«
»Richtig. Warum sollten wir ihm also diesmal glauben? Woher willst du wissen, dass er jetzt die Wahrheit sagt? Nehmen wir aber einmal an, Tincommius hätte nicht gelogen. Dann bezweifle ich, dass Caratacus General Plautius entwischen konnte. Der Marsch hierher wäre ein einziges Rückzugsgefecht. Er hat mehr Grund, sich vor uns zu fürchten, als wir vor ihm. Wahrscheinlich hat Tincommius einfach nur versucht, euch mit diesem Täuschungsmanöver zum Aufgeben zu bringen. Das leuchtet euch doch gewiss ein?«
Macro starrte zu Boden, wütend über die Unterstellung, sie hätten sich so leicht hinters Licht führen lassen.
»Aber was, wenn er nicht gelogen hat, Herr?«, beharrte Cato. »Dann säßen wir hier in Calleva in der Falle und würden in Stücke gehauen. Verica würde getötet, Tincommius sein Nachfolger und die Atrebates würden die Seite wechseln. «
Vespasian warf ihm einen eisigen Blick zu. »Der Kommandant einer Legion lässt sich in seinem Handeln nicht von hysterischen Hypothesen leiten. Ich brauche Beweise.«
Er sah die beiden Zenturionen aufmerksam an. »Ihr beide müsst euch vor allen Dingen erst einmal ausruhen – ihr und eure Männer. Ich befehle euch, euch sofort zur Ruhe zu begeben.«
Es war eine recht primitive Art, die Diskussion zu beenden, doch Vespasian hatte seine Entscheidung gefällt und würde keinen Widerspruch mehr dulden. Während Macro salutierte und kehrtmachte, um davonzugehen, versuchte Cato es dennoch ein letztes Mal.
»Herr, wenn wir heute schlafen, kann uns das morgen das Leben kosten.«
Vespasian, der selbst seit mehr als zwei Tagen nicht geschlafen hatte, war gereizt und blaffte seinen Untergebenen wütend an: »Zenturio! Es steht dir nicht an, meine Befehle in Zweifel zu ziehen!« Er hob mahnend den Finger. »Noch ein Wort, und du wirst zum einfachen Soldaten degradiert. Und jetzt geh endlich.«
Cato salutierte, machte kehrt und marschierte steif hinter Macro her, der schon auf dem Weg zu seinen Männern war, die unmittelbar vor der ehemaligen Verschanzung lagerten. Die meisten lagen auf der Seite und schliefen, die Köpfe auf die angewinkelten Arme gebettet.
»Das war nicht besonders klug von dir«, bemerkte Macro ruhig.
»Du hast Tincommius doch gehört … warum hast du mich nicht unterstützt?«
Macro holte tief Luft, damit seine Verärgerung über den jungen Offizier nicht die Oberhand gewann. »Wenn ein Legat eine Entscheidung fällt, stellt man diese niemals in Frage. «
»Warum nicht?«
»Das tut man eben verdammt noch mal nicht. Klar?«
»Das sage ich dir morgen um diese Zeit.«
Cato ließ sich neben Mandrax niedersinken, der, die Standarte neben sich in die Erde gesteckt, an einem Wagenrad lehnte und schnarchte. Macro ging schweigend zu dem jämmerlich kleinen Haufen von Schlafenden hinüber, die ihm als Einzige von seinem ersten unabhängigen Kommando verblieben waren.
Kurz bevor er sich auf die Seite rollte und einschlief, dachte Macro noch einmal an Tincommius’ Warnung, dass Caratacus’ Angriff auf Calleva unmittelbar bevorstehe. Der atrebatische Prinz hatte vielleicht doch die Wahrheit gesprochen … Nun, das würden sie bald genug wissen. Im Moment brauchte er jedenfalls seinen Schlaf. Gleich darauf gesellte sich sein tiefes, rumpelndes Schnarchen zum Chor der anderen Schlafgeräusche.
»Auf die Beine!« Cadminius trat nach der Gestalt, die im düstersten Winkel des Königssaals,
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