Cato 04 - Die Brüder des Adlers
schmerzhafter Wahrheiten …«
»Feigling! Was willst du eigentlich von mir? Warum tötest du mich nicht gleich hier an Ort und Stelle?« Tincommius sah plötzlich hoffnungsvoll auf. »Es sei denn …«
»Tincommius, du wirst sterben«, antwortete Verica traurig. »Ich wollte nur, dass du verstehst, warum du Unrecht hast … Du warst mir wie ein Sohn. Ich wollte, dass du weißt … dass du weißt, dass ich alles dafür geben würde, dich nicht hinrichten lassen zu müssen.«
»Dann richte mich nicht hin!«, kreischte Tincommius.
»Du lässt mir keine Wahl.« Verica wandte das Gesicht ab und murmelte: »Es tut mir Leid … sehr Leid. Cadminius, übergib ihn jetzt den Römern.«
Tincommius warf einen Blick auf Legat und Tribun und schielte dann nach dem verhärteten Gesicht des Zenturios. Er drehte sich um und warf sich aufs Bett.
»Onkel! Bitte!«
»Steh auf!«, schrie Cadminius ihn an, packte den Prinz bei den Schultern und zerrte ihn von dem Alten herunter. Tincommius wand sich, seinen Onkel anflehend, in seinem Griff, doch der Hauptmann der Leibwache zerrte ihn unerbittlich zurück, nahm seinen Kopf in den Würgegriff und schleifte ihn zu Vespasian hinüber.
»Der König sagt, er gehört jetzt euch. Verfahrt mit ihm, wie es euch beliebt.«
Vespasian nickte streng und winkte Zenturio Hortensius heran. »Bring ihn zur Schanze und mach ihn ein bisschen weich«, trug er ihm so leise auf, dass Tincommius es nicht hören konnte. »Füge ihm aber keine zu schlimmen Verletzungen zu, Hortensius. Er muss noch reden können.«
Der Zenturio trat vor, packte den sich wehrenden Prinzen so fest, dass er sich nicht mehr regen konnte, zerrte ihn vom Boden hoch und schleppte ihn aus dem Zimmer.
»Nun, mein Lieber, benimm dich, sonst muss ich grob mit dir werden.«
Als Tincommius seinen Onkel weiter um Gnade anflehte, stieß der Zenturio ihn gegen die Steinwand und ließ ihn fallen. Tincommius brüllte vor Schmerz und hatte nun eine Platzwunde an der Stirn. Der Zenturio hob ihn in aller Ruhe wieder hoch und sagte: »Kein Unsinn mehr! So ist es brav, mein Guter.«
Nachdem sie sich in der königlichen Küche verpflegt hatten, kehrten Vespasian und Quintillus zur Schanze zurück. Der Halbkreis wurde von einem kleinen Feuer erleuchtet, in dessen Mitte eine Speerspitze orangerot in der wabernden Hitze glühte. Seitlich davon war Tincommius an einen Wagen gefesselt und hing schlaff in den Seilen. Auf seinem nackten Rücken waren die Wunden von Hieben und Verbrennungen zu sehen. In der Luft lag der beißende Geruch von verbranntem Fleisch.
»Ich hoffe, du hast ihn nicht umgebracht«, sagte Vespasian, der sich mit dem Handrücken die Nase zuhielt.
»Nein, Herr.« Es kränkte Hortensius, dass der Legat so wenig Vertrauen in seine Erfahrung hatte. Ein guter Folterer musste mehr können, als jemanden schmerzhaft ums Leben zu bringen. Wesentlich mehr. Darum bildeten die Legionen die entsprechenden Leute so sorgfältig in dieser geheimsten aller militärischen Disziplinen aus. Es gab eine feine Grenze zwischen Schmerzen, die garantiert dafür sorgten, dass ein Gefolterter die Wahrheit sagte, und Übertreibungen, mit denen man das Opfer umbrachte, bevor es reif war. Wie jeder halbwegs brauchbare Folterer wusste, bestand die Kunst darin, dem Opfer mehr Schmerz zuzufügen, als es ertragen konnte, und diese Intensität so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Ein Opfer, das derart bearbeitet worden war, sprach danach mit Sicherheit die Wahrheit. Dafür sorgte schon die Angst, unglaubwürdig zu wirken und damit weitere Qualen auf sich zu ziehen. Hortensius nickte zum Feuer hinüber. »Er ist nur ein bisschen vorgegart.«
»Hat er irgendwas Brauchbares von sich gegeben?«, fragte Quintillus.
»Zum größten Teil nur keltisches Gebrabbel.«
»Behauptet er immer noch, dass Caratacus zu seiner Rettung kommen wird?«
»Jawohl, Herr.«
Vespasian betrachtete die Wunden, die den Rücken des Prinzen überzogen, mit einem Gefühl faszinierten Grauens. »Sagt er deiner Meinung nach die Wahrheit?«
Hortensius kratzte sich am Hals und nickte. »Ja, es sei denn, er wäre ein richtig sturer Rammler.«
»Interessanter Ausdruck«, merkte Quintillus an. »Hab ich noch nie gehört. Ist der eine Spezialität deiner Einheit?«
»Richtig, Herr«, antwortete Hortensius trocken. »Wir haben ihn eigens für Touristen erfunden. Soll ich jetzt weitermachen, Herr?« Letztere Bemerkung war an den Legaten gerichtet und Vespasian riss den Blick von
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