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Cato 04 - Die Brüder des Adlers

Cato 04 - Die Brüder des Adlers

Titel: Cato 04 - Die Brüder des Adlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Scarrow
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Wunschdenken, schalt Plautius sich selbst. Er durfte Caratacus auf keinen Fall unterschätzen und schon gar nicht im Lichte des Dokuments, das er eben auf den Schreibtisch seines Obersekretärs geworfen hatte: ein weiterer Bericht, diesmal von jenem Zenturio, dem Vespasian das Kommando der winzigen Garnison in Calleva übertragen hatte.
    Zenturio Macro berichtete von einem Scharmützel, das er unlängst gegen eines der feindlichen Überfallkommandos gewonnen hatte. Das hatte der General gerne gelesen. Dann war er jedoch zu dem Abschnitt gelangt, in dem der Zenturio über die Lage in Calleva berichtete. Obgleich Macro sich bemühte, beiläufig zu klingen, war Plautius’ nach Abschluss der Lektüre äußerst beunruhigt.
    »Herr!«
    General Plautius drehte sich um, als der Obersekretär durch den Hintereingang des Zeltes kam.
    »Nun?«
    »Vor fünf Tagen, Herr.«
    »Fünf Tage?«, fragte Plautius leise. Hinter ihm zuckte ein Blitz über das entvölkerte, von seinen Bewohnern verlassene Land. Gleich darauf krachte der Donner, und der Sekretär zuckte zusammen.
    »Quintus, könntest du mir bitte erklären, warum man mir das hier erst mit fünf Tagen Verspätung vorlegt?«
    »Es erschien mir als ein Bericht von untergeordneter Bedeutung, Herr.«
    »Hast du ihn gelesen?«
    »Jawohl, Herr.«
    »Alles?«
    Der Sekretär schwieg einen Moment lang. »Ich weiß es nicht mehr, Herr.«
    »Aha. Das ist keine gute Leistung Quintus, oder?«
    »Nein, Herr.«
    Der General fixierte ihn einen Moment lang, bis der Sekretär beschämt die Augen senkte.
    »Achte darauf, dass du von jetzt an jeden Bericht vollständig liest. Einen solchen Schnitzer werde ich kein zweites Mal dulden.«
    »Jawohl, Herr.«
    »Und jetzt hol mir Tribun Quintillus.«
    »Tribun Quintillus, Herr?«
    »Caius Quintillus. Er stieß vor wenigen Tagen zur Neunten. Du wirst ihn wohl in der Offiziersmesse finden. Ich möchte mich so bald wie möglich in meinen Privaträumen mit ihm besprechen. Geh jetzt.«
    Der Sekretär eilte aus dem Zelt, nur zu froh, dem General so schnell zu entkommen.
    Während Plautius ihm durch den Zelteingang nachsah, wunderte er sich selbst über seine Milde. Noch vor ein paar Jahren hätte er den Mann für einen solchen Fehler zum gemeinen Soldaten degradiert. Er wurde wohl allmählich weich. Ein weiterer Beweis für seine nachlassenden Kräfte als Feldherr.

    Als Tribun Quintillus den Bericht las, war das Unwetter direkt über dem Lager. Durch einen Spalt in der Zeltklappe konnte man das grelle Zucken der Blitze sehen. Immer, wenn das blendend helle Licht aufleuchtete, schienen die Regentropfen in der unheimlich bleichen Welt draußen still in der Luft zu hängen wie gewichtslose Scherben aus funkelndem Glas. Sobald ein Blitz erloschen war, krachte der Donner so laut nieder, dass die Trinkbecher, die zwischen den beiden Offizieren auf dem Tisch standen, klapperten. Dann waren nur noch das Heulen des Windes und das Getrommel des Regens auf dem ledernen Zeltdach zu hören.
    General Plautius betrachtete den Tribun, der den Kopf über die Schriftrolle gebeugt hatte und den Bericht aufmerksam studierte. Quintillus entstammte einer der älteren Adelsfamilien, die immer noch große Ländereien südlich Roms in Besitz hatte. Der Tribun war der Letzte in einer Generationenfolge von Aristokraten, die sich im Senat verdient gemacht hatten. Seine Berufung zur Neunten Legion war der Dank für ein großes, zinsfreies Darlehen, das Quintillus’ Vater General Plautius einige Jahre zuvor gewährt hatte. Doch diese Ernennung war mehr als das Begleichen alter Schulden. Der Tribun pflegte Verbindungen mit dem kaiserlichen Hof, und darum bemühte ein Aristokrat sich nur, wenn er von Ehrgeiz getrieben war. Nun gut, überlegte Plautius, ein ehrgeiziger Mensch war normalerweise auch ein skrupelloser Mensch – und genau so einen brauchte der General jetzt.
    »Das ist wirklich äußerst interessant«, erklärte Quintillus, legte die Schriftrolle auf den Tisch zurück und nahm in derselben eleganten Bewegung seinen Becher in die Hand. »Aber darf ich fragen, was das mit mir zu tun hat, Herr?«
    »Alles. Du reitest beim ersten Tageslicht nach Calleva.«
    »Calleva?« Einen winzigen Moment lang zuckte Überraschung über die feinen Gesichtszüge des Tribuns, verschwand aber sofort wieder unter einer Maske vollkommener Gleichgültigkeit. »Nun, warum nicht? Es ist gewiss nett, sich die Eingeborenenkultur einmal anzuschauen, bevor wir sie auslöschen …«
    »Gewiss«, gab

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