Cato 05 - Beute des Adlers
Maximius, wird vorgeworfen, an den Iden des letzten August seine Befehle vernachlässigt zu haben. Diese Pflichtverletzung hat zur geglückten Flucht von etwa fünftausend feindlichen Soldaten geführt. Des Weiteren beschuldigt Centurio Maximius den Centurio Lucius Cornelius Macro, sich dem Feind bei der Verteidigung der Insel in der Mitte der Furt nicht mit der nötigen Entschlossenheit entgegengestellt zu haben. Außerdem beschuldigt Centurio Maximius die Dritte Kohorte, die nachfolgende Verteidigung des Südufers nicht mit der erforderlichen Tatkraft und Beherztheit durchgeführt zu haben. Nach eingehender Prüfung der mir vorliegenden Beweise bin ich allerdings zu dem Schluss gelangt, dass die Schuld zu gleichen Teilen bei der Dritten Kohorte und ihren Offizieren liegt und sich alle gleichermaßen zu verantworten haben. Will vor der Urteilsverkündung einer der anwesenden Offiziere zu diesen Anklagen Stellung nehmen?«
General Plautius sah auf und wartete, ob einer der Centurionen das Wort ergriff. Macro hatte in bitterer Wut über Centurio Maximius ’ Verrat die Zähne zusammengebissen. Er traute sich jedoch nicht zu sprechen, geschweige denn sich nach dem Mann umzudrehen, der seinen Männern direkt ins Gesicht gelogen hatte, um die Schuld an seinem Versagen von sich zu schieben. Noch unverzeihlicher war jedoch, dass er im Versuch, sich reinzuwaschen, die Kohorte als Ganzes der Feigheit bezichtigt hatte.
»Herr, wenn du erlaubst?«
Alle Augen waren nun auf Vespasian gerichtet.
»Sprich, Legat. Aber fasse dich kurz und bleib bei der Sache.«
»Ja, Herr. Ich will zu Protokoll geben, dass ich allen Anschuldigungen widerspreche.«
Plautius riss vor Überraschung über diesen offenen Widerspruch gegen sein Urteil die Augen auf. Er schluckte nervös. »Und mit welcher Begründung?«
Vespasian wählte seine Worte mit Bedacht. »Mit der Begründung, dass die Anklage viel zu kurz gefasst ist. Ich stelle nicht in Abrede, dass die Kohorte es versäumt hat, ihre Pflichten mit der nötigen Schnelligkeit und Tapferkeit zu erfüllen. Tatsache ist jedoch, dass sie nur den Auftrag hatte, die Furt gegen versprengte Einheiten zu halten, die der Hauptschlacht entkommen würden. Eine Schlacht, die an einer der beiden anderen Furten hätte ausgefochten werden sollen. Niemand hat jemals in Betracht gezogen, dass sich Maximius und seine Männer gegen die komplette feindliche Streitmacht stellen müssen.« Vespasian holte tief Luft, bevor er sein wichtigstes Argument vorbrachte. »Die Frage, die ich offiziell zu Protokoll geben will, lautet: Weshalb gelang es der Armee von General Plautius nicht, den Feind an einer der beiden anderen Furten zu stellen, so wie es ursprünglich geplant war?«
Jetzt waren alle Anwesenden so verblüfft und tief erschüttert, dass eine lange Pause entstand, in der die Männer vom General zum Legaten und wieder zurück zum General blickten, während sie auf dessen Reaktion auf Vespasians offenen Angriff warteten. Cato spürte die Anspannung, die in der Luft lag. Wie vor einem Wolkenbruch. Plautius sah den Legaten einen Augenblick lang an und warf dann Narcissus einen Blick zu. Der kaiserliche Sekretär schüttelte fast unmerklich den Kopf. Plautius wandte sich an die Männer vor ihm.
»Diese Frage liegt außerhalb des Rahmens dieser Verhandlung und ist deshalb gegenstandslos.« Er sah zu den Schreibern hinüber. »Sie findet keinen Eingang in das offizielle Protokoll.«
»Das kann ich nicht akzeptieren, Herr.«
»Du wirst es akzeptieren, Legat. Auf meinen Befehl.«
»Herr, man kann diese Männer nicht dafür verurteilen, dass sie ihre Stellung angesichts eines übermächtigen Feindes nicht verteidigen konnten.«
Plautius lächelte. »In jeder Armee muss es Beispiele für heldenhafte Opferbereitschaft geben.«
»Zugegeben«, pflichtete Vespasian bei. »Doch wenn diese Opferbereitschaft von der Dritten Kohorte verlangt wird, nur weil andere es versäumten, ihr rechtzeitig zu Hilfe zu eilen, dann wird hier doch mit zweierlei Maß gemessen. Du verurteilst diese Männer und ihre Legionäre auf der Grundlage einer Pflichtverletzung, aber nicht diejenigen, die deinem direkten Befehl unterstanden und zu langsam waren, um die Falle, die du gestellt hast, zuschnappen zu lassen. Es war ihr Versagen, ihre Pflichtvergessenheit, die es dem Feind ermöglichte, die Falle zu umgehen und die Dritte Kohorte in übermächtiger Stärke zu attackieren.«
Nun war der Legat zu weit gegangen, dachte Cato. Er sah sich
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