Cato 05 - Beute des Adlers
Deshalb musste Cato sterben. Narcissus schnalzte mit der Zunge und gab dem Pferd die Fersen. Das Tier schnaubte und kehrte zur Straße zurück.
Mit einer vor Abscheu verzerrten Grimasse sah Cato ihm hinterher. Ihn vor aller Ohren um Gnade anzuflehen war ihm höchst unangenehm gewesen, aber er redete sich ein, dass er diesen Versuch vor allem um seiner Männer willen unternommen hatte. Narcissus war der Einzige, der über den Kopf des Generals hinweg das Urteil hätte aufheben können. Doch jetzt war er weg, in der Reiterkolonne verschwunden, die die Straße nach Calleva entlangritt und eine Staubwolke hinter sich aufwirbelte.
Sobald sie außer Sichtweite war, ließ sich Cato auf den Boden fallen und starrte auf das Gras zwischen seinen nackten Füßen. Morgen um diese Zeit würden die Kameraden und Freunde aus der Dritten Kohorte um ihn und die anderen vierzig zum Tode verurteilten Männer einen Kreis bilden. Beim Ertönen des Signals würden sie sich nähern und die Gefangenen einen nach dem anderen mit schweren Holzknüppeln erschlagen. Jetzt erwies sich Catos lebhafte Fantasie als Fluch. Er stellte sich die Szene bis ins letzte grausame Detail vor. Das Durcheinander der herabsausenden Knüppel, das dumpfe Geräusch, mit dem Holz auf Fleisch traf, das Knacken der Knochen, die Schreie und das Stöhnen der Gefesselten, die sich auf dem blutgetränkten Boden zusammenrollten. Einige würden sich unter dem Jubel ihrer Henker selbst beschmutzen. Wenn Cato an der Reihe war, würde er in Blut, Urin und Exkrementen vor ihnen knien und dem Tod ins Auge sehen.
Es war beschämend und demütigend. Cato hoffte, dass er die nötige Willenskraft aufbrachte, um lautlos zu sterben und seinen Mördern noch einen trotzigen Blick zuzuwerfen. Doch tief im Inneren wusste er, dass er stattdessen zitternd und besudelt zum Hinrichtungsplatz gezerrt werden würde. Vielleicht würde er nicht um Gnade flehen, doch ganz sicher beim ersten Schlag aufschreien und bis zum Ende vor Schmerzen brüllen. Er betete, dass ihn ein schlecht ausgeführter Hieb gleich am Anfang am Kopf treffen möge. So wäre er nicht bei Bewusstsein, wenn ihm seine Seele langsam aus seinem geschundenen, zerstörten Körper geprügelt wurde.
Ein frommer Wunsch, dachte er höhnisch. Die Henker hatten genaue Anweisungen. Zuerst mussten sie ihm Arme und Beine zerschmettern, bevor sie ihm die Rippen brechen durften. Und erst dann war es ihnen erlaubt, seinem Elend mit Schlägen auf den Kopf ein Ende zu setzen. Bei diesem Gedanken spürte er die Galle in seinem Magen aufsteigen und war froh, dass er seit gestern Morgen nichts mehr gegessen hatte. Bei der Erinnerung an die Würste, die Maximius ’ Sklave gebraten hatte, musste er würgen und hielt sich die gefesselten Hände vor den Mund, bis der Anfall vorüber war.
Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter. »Alles klar, mein Freund?«
Cato schluckte die bittere Galle in seinem Mund hinunter und sah auf. Macro stand mit einem unsicheren Lächeln in dem verknitterten Gesicht über ihm. Die anderen Verurteilten waren mit sich selbst beschäftigt und schenkten ihm kaum Beachtung. Schnell schüttelte er den Kopf.
»Das wundert mich nicht« Macro verstärkte den Griff um seine Schulter und ging neben ihm in die Hocke. »Was für eine Schande. Diesmal haben sie’s uns richtig gegeben. Vor allem dir und den anderen hier … Hör mal, Cato, ich weiß einfach nicht, was ich dazu sagen soll. Die Sache stinkt zum Himmel, und wenn ich etwas tun könnte, um es zu ändern, würde ich nicht einen Augenblick zögern. Wirklich. Aber … «
»Aber du kannst nichts für mich tun. Ich weiß.« Cato zwang sich zu einem Lächeln. »Wir sind hier, weil wir hier sind. Sagen das die alten Hasen nicht immer?«
Macro nickte. »Stimmt. Aber das gilt nur für Situationen, die außer Kontrolle geraten. Das hier hätte vermieden werden können – nein, müssen. Dieser verfluchte General hat’s vermasselt und brauchte einen Sündenbock. Arschloch.«
»Ja«, antwortete Cato. »Er ist wirklich ein Arschloch … warst du schon mal bei einer Dezimation dabei?«
»Zweimal. Beide Einheiten hatten es verdient«, erinnerte sich Macro. »Sie sind weggerannt und haben uns im Stich gelassen. Das war ganz was anderes.«
»Weißt du, ob es jemals vorgekommen ist, dass eine Dezimation zurückgenommen wurde?« Cato sah auf und versuchte, seine Gefühle zu unterdrücken. »Also, ich meine, wurde schon mal eine wieder abgesagt?«
Einen Augenblick lang
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