Cato 05 - Beute des Adlers
richtig, Herr«, antwortete Figulus. »Ich will nicht die Schuld an seinem Tod auf mich nehmen.«
»Er ist sowieso schon tot. Du und Macro, ihr habt ihm nur ein paar Stunden Gnadenfrist geschenkt. Mein Entschluss steht fest, Optio. Stell meine Befehle nie wieder infrage.«
Einen Augenblick lang hielt Figulus schweigend Catos Blick stand. »Befehle?«, sagte er schließlich. »Herr, wir sind keine Soldaten mehr. Wir sind Deserteure. Wieso glaubst du, dass ich … «
»Halt den Mund!«, zischte Cato zurück. »Du tust, was ich sage, Optio! Was auch immer geschieht – noch bin ich der befehlshabende Offizier. Vergiss das nicht – sonst bringe ich dich hier auf der Stelle um.«
Figulus starrte ihn verblüfft an, dann nickte er. »Ja, Herr. Selbstverständlich.«
Cato bemerkte, dass sein Herz raste und dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Er musste wie ein Vollidiot dastehen. Die Erschöpfung und die ständige Angst, erwischt und hingerichtet zu werden, hatten ihren Tribut gefordert: Er war mit den Nerven am Ende. Dabei musste er alle Kräfte aufbieten, wenn er und seine Männer diese Prüfung überleben wollten. In Gedanken hatte er sich bereits mit einem Plan beschäftigt, der jedoch ziemlich ehrgeizig und optimistisch war. Andererseits greifen Männer, die vor dem Abgrund stehen, nach jeder Rettungsmöglichkeit – sei sie auch noch so unwahrscheinlich. Cato bekam das Bild des Abgrunds nicht mehr aus dem Kopf, und bei der Vorstellung, dass die Hand eines Gottes sie alle aufheben und in Sicherheit bringen würde, hätte er fast verächtlich aufgelacht. Die Versuchung, in Gelächter auszubrechen, war fast unwiderstehlich. Darin erkannte er die Vorboten einer lähmenden Hysterie, die sie überwinden mussten, wenn sie ihr nicht zum Opfer fallen wollten.
Cato rieb sich die Augen und drückte die Schulter des Optio. »Tut mir leid, Figulus. Ich verdanke dir und Macro mein Leben. Wir alle stehen in eurer Schuld. Bitte verzeih, dass ich dich in diesen Schlamassel mit hineingezogen habe. Das hast du nicht verdient.«
»Schon in Ordnung, Herr. Ich verstehe.« Figulus lächelte schwach. »Um die Wahrheit zu sagen: Es fällt mir ganz schön schwer, mich auf diese Situation einzustellen. Wenn ich gewusst hätte, dass es so weit kommt … Was sollen wir mit ihm machen?«
»Wir lassen ihn zurück. Er ist ein toter Mann. Das weiß er selbst. Wir dürfen nur nicht zulassen, dass sie ihn lebend erwischen. Er muss im Kampf sterben.« Cato richtete sich auf und räusperte sich. »Du gehst mit den anderen vor. Ich rede mit ihm und komme dann nach.«
»Reden?« Figulus sah ihn argwöhnisch an. »Du willst wirklich nur reden?«
»Vertraust du mir nicht?«
»Einem Centurio vertrauen? Nachdem wir in diesen Schlamassel geraten sind? Du forderst dein Glück heraus, Herr.«
Cato lächelte. »Das tue ich ständig, seit ich bei der Legion bin. Und bis jetzt hat es mich noch nicht verlassen.«
»Es gibt immer ein erstes Mal, Herr.«
»Schon möglich. Jetzt setz die Männer in Bewegung. Und nicht trödeln.«
Figulus nickte. »Dieselbe Richtung?«
Cato dachte einen Augenblick lang nach und sah sich um.
»Nein. Geht nach Süden, auf diesen Hügel zu. Sobald ihn der letzte Mann überquert hat und ihr außer Sichtweite seid, schlägst du wieder die ursprüngliche Richtung ein. Ich erklär’s dir später. Los!«
Während der Optio die erschöpften Männer zusammenrief, die verstreut im hohen Gras neben dem Bach saßen, ging Cato zu dem verletzten Legionär hinüber.
»Du bist einer von Tullius ’ Männern, stimmt’s?«
Der Legionär sah auf. Seine Gesichtshaut erinnerte an altes Leder und war von schütteren grauen Locken umrahmt. Wahrscheinlich war er nur ein paar Jahre vom Ruhestand entfernt. Es war eine grausame Laune des Schicksals, dass es gerade ihn zur Hinrichtung vorgesehen hatte.
»Ja, Herr. Vibius Pollius.« Der Mann salutierte. Er sah sich nach den anderen um, die bereits marschbereit dastanden. »Ihr werdet mich zurücklassen, oder?«
Cato nickte langsam. »Es tut mir leid. Wir dürfen nicht langsamer werden. Wenn es eine andere Möglichkeit gäbe … «
»Gibt es nicht. Ich verstehe das, Herr. Schwamm drüber.«
Cato hockte sich auf einen Felsen, der hoch aus dem rauschenden Bach ragte.
»Hör mal, Pollius. Noch ist weit und breit kein Verfolger zu sehen. Wenn du dich versteckst und deinen Knöchel schonst, könntest du später wieder zu uns stoßen. Tüchtige Männer wie dich kann ich gut gebrauchen.
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