Cato 08 - Centurio
entgehen. Mit einem Ächzen äußerster Anstrengung zog er sich durch die Öffnung hoch. Er hatte es halb geschafft, als er Carpex neben sich auf den Steinplatten liegen sah. Der Sklave sah benommen aus, und Blut sickerte ihm aus
dem Mund. Wütend brüllende Männer in blauen Tuniken umdrängten sie. Mehrere von ihnen waren bewaffnet, und einer sprang mit erhobenem Schwert vor, um Cato die Klinge in den Kopf zu rammen.
»Nicht!«, schrie Cato auf Latein und warf schützend den Arm hoch. »Ich bin Römer.«
KAPITEL 14
S obald die Nacht angebrochen war, marschierten Macro und Prinz Balthus mit ihren Truppen auf die Stadt zu, jedoch über einen weniger direkten Weg, als Cato und Carpex ihn eingeschlagen hatten. Die römische Kavallerie und die palmyrischen Reiter gingen zu Fuß und führten ihre Tiere, deren Hufe mit Stoffstreifen umwickelt waren, am Zügel. Die Fußsoldaten hatten den Befehl erhalten, ihre Bündel in einer Höhle am Fuß des Hügels zurückzulassen, und trugen außer der Rüstung nur noch ihre Waffen. Sie marschierten in freiem Schritt, außerdem waren alle losen Ausrüstungsgegenstände festgebunden worden, damit die Männer sich so leise wie möglich bewegten. Gespräche waren untersagt. Die Centurionen und Optios gingen neben ihren Männern her und lauschten mit gespitzten Ohren auf die kleinste Übertretung des Verbots, die mit einer Prügelstrafe geahndet werden würde.
In der schweigend dahinstapfenden Kolonne empfand Macro unwillkürlich großen Stolz auf die Leistung seiner Truppe. Sie hatten die Wüste durchquert und einen Feind abgewehrt, um hierher zu gelangen, und nun war ihr Ziel in Sicht. Allerdings wäre ihr Vorhaben zum Scheitern verurteilt, sollte Cato es nicht bis zur Zitadelle schaffen oder sollte er deren Besatzung nicht überreden können, die Aufständischen abzulenken, damit Macro und die
anderen in die Stadt eindringen konnten. Beim Gedanken an seinen jungen Freund bedauerte Macro erneut, dass er ihm erlaubt hatte, Balthus’ Sklaven zu begleiten. Es gab viele andere Offiziere, die diese Aufgabe ebenso gut hätten übernehmen können, und Cato wurde von den Männern seiner Kohorte gebraucht. Als er seine Entscheidung überdachte, wurde Macro klar, dass auch er selbst Cato brauchte, wenn es auf gutes Urteilsvermögen, einen wachen Verstand und die Wahl des richtigen Zeitpunkts ankam. In einer offenen Schlacht befand Macro sich in seinem Element, und es gab nur wenige Männer in den Legionen, die es ihm dort als Anführer gleichtaten. Er war ebenso stark und brutal wie mutig, und wenn die Erwartung einer Schlacht wie Feuer durch seine Adern floss, war er offen genug zuzugeben, dass er tatsächlich voller Vorfreude war. Ganz im Gegensatz zu Cato, der eine Schlacht nur als notwendiges Mittel zum Zweck betrachtete. Zumindest war das bisher so gewesen, überlegte Macro mit besorgter Miene. Wenige Stunden zuvor hatte Macro zum ersten Mal ein aufgeregtes Leuchten in Catos Augen gesehen, als dieser darauf beharrt hatte, Balthus’ Sklaven nach Palmyra zu begleiten. Es war eine absurd gefährliche Aufgabe, für die er sich da gemeldet hatte, und Macro machte sich unwillkürlich Sorgen um die Sicherheit seines Freundes. Nicht nur, weil Cato sich ins Herz einer vom Feind kontrollierten Stadt wagen würde, sondern vor allem, weil Macro ihn nicht für den geborenen Kämpfer hielt. In dem Jungen steckte zu viel von einem Denker, überlegte Macro bedauernd. Es diente keinerlei praktischem Zweck, sich den Kopf mit ausgefallenen Philosophien vollzustopfen, die man obskuren
Texten entnahm, und es war noch nicht einmal unterhaltsam, ganz im Gegensatz zu den Komödien, an denen Macro Gefallen fand.
In den Jahren, seit Cato ihm das Lesen beigebracht hatte, hatte Macro seine neue Fähigkeit überwiegend dazu benutzt, die ermüdenden Anforderungen der Militärbürokratie zu erfüllen. Doch in den letzten Monaten, während der friedlichen und angenehmen Stationierungszeit in Antiochia, hatte er begonnen, zu seinem Vergnügen zu lesen. Die lateinischen Übersetzungen der Schriften des Plato und des Aristoteles, die Cato für ihn aus der örtlichen Bibliothek auszuleihen pflegte, legte er damals still beiseite und widmete seine Lesestunden den Komödien und anderem, noch pikanterem Material. Als dann der gegenwärtige Konflikt mit dem Partherreich ausbrach, der ihn hierher nach Palmyra führen sollte, hatte er sich gerade durch die Stücke des Plautus gearbeitet.
Macros Gedanken kehrten
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