Cato 10 - Die Legion
vorausschicken, um sie zu suchen?«
Cato dachte kurz über den Vorschlag nach. »Nein. Es wäre sinnlos, das Leben weiterer Männer zu riskieren. Falls die Vorhut immer noch Ajax folgt, wird sie zur Nacht haltmachen, genau wie er. Dann werden wir von den Männern hören. Das vermute ich jedenfalls.«
»Und falls nicht?«
»Dann folgen wir einfach weiter diesem Pfad, bis wir auf sie oder auf Ajax und seine Leute stoßen. Das ist alles.«
»Und was ist mit Centurio Macro, Herr?«
»Macro wird uns rechtzeitig einholen. Darauf können wir uns verlassen.« Cato lächelte. »Der lässt sich einen guten Kampf nicht entgehen.« Das Lächeln verblasste. »In diesem speziellen Fall liegt ihm mehr als jedem anderen lebenden Menschen am Tod dieses Mannes … mich selbst ausgenommen.«
Rufus nickte. Er hatte auf Kreta gekämpft und kannte die Geschichte von Macros Gefangenschaft, und er wusste, dass auch Julia, die Verlobte des Präfekten, gefangen gehalten worden war. »Dann sollten wir unser Lager vielleicht recht früh aufschlagen und Macro die Gelegenheit geben, seine Kräfte mit den unsrigen zu vereinigen.«
Cato dachte darüber nach und schüttelte den Kopf. »Nach jeder Rast kommen die Männer langsamer in Gang. Am besten warten wir bis zum Ende des Tages, bevor wir die Truppe anhalten lassen.« Er befeuchtete seine Lippen. »Weiter geht’s.«
Obwohl die Sonne nun allmählich von ihrem Zenith herabsank, schien die erstickende Hitze im Verlauf des Nachmittags nicht nachzulassen. Vom Gewicht ihrer sperrigen Schilde belastet und von Durst gequält, marschierte die Kolonne weiter. Als die Sonne in den Dunstschleier eintauchte, der den Horizont säumte, ließ die Hitze endlich nach, und das Schilf spendete den römischen Soldaten, die vor Anstrengung keuchten, Schatten. Cato war noch nie zuvor so erschöpft gewesen. Nicht einmal während seiner Anfangszeit in der Legion, als er sich an tagelange Übungsmärsche gewöhnen musste. Da war er beim ersten Tageslicht aufgestanden und mit der vollen Ausrüstung sechzehn Meilen marschiert. Danach wurden die Wälle des Marschlagers errichtet, die Zelte aufgebaut und Kochfeuer geschürt. Erst dann hatte er sich ausruhen dürfen, bis er mit der Nachtwache an der Reihe gewesen war. Das war sehr anstrengend gewesen, wie er sich gut erinnerte, aber damals hatte er sich im gemäßigten Klima an der Nordgrenze des Imperiums in Germanien befunden. Jetzt jedoch kam alles zusammen, die Hitze, der Gestank, die Insekten und die Wurzeln und anderen Hindernisse unter Wasser, über die man leicht stolpern konnte. All das zehrte an Catos Kräften. Nur seine Willenskraft brachte ihn dazu, Schritt für Schritt weiterzugehen.
Als die Schatten länger wurden, verließ die Kolonne ein weiteres Mal den Schilfsumpf und betrat festen Boden. Jetzt mündete der Trampelpfad in einen festen Weg, der sich nach einer Weile gabelte. Cato blieb stehen und blickte in beide Richtungen.
»Was meinst du, Herr?«, fragte Rufus heftig keuchend. »Links oder rechts?«
Cato wischte sich den Schweiß aus den Augen und wägte die Entscheidung ab. »Der linke Weg scheint nach Norden zu führen, zur Küste hin. Ich an Ajax’ Stelle würde mich nach Süden wenden, weg vom Meer und unseren Kriegsschiffen. Wir gehen nach rechts.«
Er legte seinen Schild auf den Boden, ging zu einer Gruppe von Palmen und hob darunter ein paar abgefallene Palmwedel auf. Er nahm seinen Dolch, schnitt die Blattspreite ab und legte die trockenen, grauen Blattstängel pfeilförmig aus, um den Weg zu kennzeichnen, für den er sich entschieden hatte.
»Das ist für Macro«, erklärte er, hob dann seinen Schild auf und führte die Kolonne nach rechts, in die Tiefe des Deltas hinein. Der Weg war zwar schmal und wurde immer wieder von hohem Gras und Palmen bedrängt, doch nach dem Gestank des Sumpfs bot er eine willkommene Abwechslung. Sie waren dem Weg eine Meile gefolgt, als Cato keine Viertelmeile entfernt die Umrisse einiger Gebäude entdeckte, die aus dem Gras herausragten. Er wandte sich zu Rufus um, zeigte darauf und sagte leise:
»Das ist der erste Hinweis auf Menschen, dem wir heute begegnen.«
»Vielleicht haben die Einheimischen ja etwas gesehen, Herr.«
»Ja, hoffentlich.«
Cato machte sich noch immer Sorgen um seine fehlende Abteilung. Wenn die Männer sich nicht im Sumpfland verirrt hatten, waren sie möglicherweise in ein Scharmützel mit Ajax und seinen Leuten geraten. In diesem Fall hätten sie kaum eine Chance gehabt. Als
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