Catpower: Das ultimative Körperbuch (German Edition)
anheben kann, wie ein Rundzelt, wie ich es in alle Richtungen ausdehnen kann, radial, rundherum. Und die Aufspannung bleibt. Die Schultern heben sich nicht, senken sich nicht, der Bauch ist lang und gedehnt. Ich kann spüren, wie die Muskulatur in dieser Gutspannung beim Ausatmen tausendhändig die Organe massiert. Ich verstehe in diesem Moment: Der Atem ist ein Geschenk des Lebens an uns. Er geht nicht auf Kosten von etwas. Ich muss ihn nur zulassen, dann macht er alles für mich.
Ich habe seit meiner Atementdeckung, ich schwöre es, nie mehr auch nur die Andeutung eines Asthma-Anfalls gehabt. Und die Restskoliose entdrehte sich in Siebenmeilenschritten. Die verdrehten Achsen an der Brustwirbelsäule und an den Kopfgelenken entdrehten und entdrehen sich seither leise und unablässig, in ihrem eigenen Rhythmus, sodass sich die Muskeln, Sehnen, Bänder anpassen können. Jetzt, da ich dieses schreibe, bin ich in einer Phase der leichten Heiserkeit, meine Stimme verändert sich. So wie früher kann ich nicht mehr singen, die neue Singstimme habe ich noch nicht gefunden.
Lachen Sie!
In einer Ausbildung für das CANTIENICA ® -Beckenbodentraining nahmen zwei Atemtherapeutinnen einer weitverbreiteten Schule teil, beide um die 50, beide inkontinent, beide litten an chronischen Kreuzschmerzen, beide sahen aus wie Ritterinnen von der ganz traurigen Gestalt: eingesunkene Brust, hängende Schultern und hängende Brüste, hervorstehender Bauch, starke Faltenbildung im Gesicht.
Die eine Frau war frustriert, weil sie ihr Leben lang alles richtig machen wollte und nun doch an so vielem litt; Rundrücken, Reflux, Magenbeschwerden, Erschlaffung des Beckenbodens, Knieschmerzen, Hallux valgus. »War denn alles falsch, was ich gelernt und so lange nach bestem Wissen gemacht habe?«, stöhnte sie. Ich verstand ihre Frustration, ich habe das selbst erfahren.
Da versuchen wir, alles gut und richtig zu machen, und alles wird schlimmer. Ihr Körper begriff sofort, worum es in dem Training ging, er richtete sich auf, die Schmerzen verschwanden wie von Zauberhand. Nur der Kopf rebellierte, er lehnte die Möglichkeit, dass der natürliche Atem nicht auf Kosten von etwas ging, rundweg ab. Ich sah die Frau nach der Grundausbildung nicht mehr.
Die andere Teilnehmerin reagierte vollkommen gegensätzlich. »Was habe ich meinen Atem mit Technik vergewaltigt«, sagte sie, »welch ein Geschenk, es ist alles schon da, ich muss es nur zulassen.« Sie hatte schon am zweiten Kurstag keine Rückenschmerzen mehr, drei Wochen später konnte sie wieder joggen, ohne Urin zu verlieren. »Nur beim Lachen falle ich manchmal in das alte Muster zurück, ziehe die Schultern hoch und drücke das Zwerchfell nach unten«, berichtete sie.
Das ist eine Frauenkrankheit, dieses gequetschte, unterdrückte, implodierende Lachen, das bei 18-jährigen Frauen genauso die Regel ist wie bei 30-, 60-, 80-jährigen. Ich kenne den Ursprung des unterdrückten Frauenlachens nicht. Ich sehe die Auswirkungen: verspannte Schultern, hängende Busen, schlaffe Bäuche, erschlaffte Beckenböden. Vor 250 Jahren rätselten Philosophen wie Immanuel Kant noch darüber, ob Frauen auch Seelen hätten. Ich nehme an, man sah es in jener Männergesellschaft nicht gern, wenn seelenfragliche Frauen lachten, womöglich noch laut. Mehr als so ein angedeutetes Mona-Lisa-Mundwinkelheben lag wohl nicht drin.
In meiner Kindheit störte sich ein junger Lehrer derart an meinem Lachen, dass er in mein Poesiealbum schrieb: »Mädchen, die lachen, Hähnen, die kräh’n, den’ sollte man beizeiten den Hals herumdrehn.« Lässt mich mein Gedächtnis nicht im Stich, so heißt das Original »Mädchen, die pfeifen...« Ist genauso dumm.
Weshalb Frauen ihr Lachen heute noch in den Bauch ziehen, es implodieren lassen, verschlucken, gegen sich richten – ich weiß es nicht. Wahrscheinlich ist es einfach nur Imitation. Kleine Mädchen lachen wie die Mütter, die Mütter lachen wie die Großmütter, die Großmütter wie die Urgroßmütter, und die Ururgroßmutter, die hatte zu Kants Zeiten wirklich nichts zu lachen.
Ich biete Ihnen ein paar gute Gründe an, Ihr Lachen heute noch zu befreien. Verschlucktes Lachen schwächt das Zwerchfell und drückt es nach unten. Das zieht mit den Jahren die Rippen nach unten und die Schultern zu den Ohren, die Muskeln am Brustkorb werden kürzer, schließlich auch die Knochen (Schlüsselbeine, Brustbeine). Die Brust- und Bauchmuskeln erschlaffen, die Organe werden nach
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