Cedars Hollow (German Edition)
Schweigen und mitleidigen Blicken, die ich nicht ertragen konnte.
„Sind dir eigentlich schon mal diese zwei merkwürdigen Jungs au f gefallen, die manchmal auf dem Schulhof rumlungern?“, fragte Joa n ne.
Ich tat so, als wüsste ich nicht, von welchen Jungs sie sprach, o b wohl ich sofort wieder Corvus’ Gesicht vor Augen hatte.
„Zwei komische Typen“, meinte sie. „Ich hab sie neulich zum ersten Mal gesehen. Sie tauchen immer getrennt voneinander auf, als hätten sie das irgendwie aufeinander abgestimmt. Ich glaube, sie sind neu in Cedars Hollow.“
„Inwiefern sind sie seltsam?“, fragte ich und versuchte, nicht allzu interessiert zu klingen.
Joanne runzelte grüblerisch die Stirn. „Schwer zu sagen. Sie sche i nen einfach nicht so richtig reinzupassen. Sie haben so etwas an sich …“ Sie stockte und gestikulierte durch die Luft, um ihre Worte zu unterstreichen. „Es klingt albern, aber sie wirken nicht wie Me n schen, zumindest nicht wie ganz normale.“
Also war es nicht nur mir aufgefallen. Auch auf Joanne hatten sie nicht besonders menschlich gewirkt.
„Der eine von ihnen ist ziemlich hübsch, mit rotbraunen Haaren, groß. Der andere …“ Sie legte eine Pause ein und nahm einen Schluck von ihrer Cola. „Schwierig, ihn zu beschreiben. Ziemlich schlank und hochgewachsen, dunkle Haare, dunkle Augen … Kom i scher Typ. Irgendwie ist er mir unheimlich, ich weiß aber nicht, wi e so.“
Ja, das war er. Unheimlich. Und trotzdem auf eine kaum zu b e schreibende Weise faszinierend. Dunkel. Ein Mysterium.
„Komisch, dass du sie noch nie gesehen hast“, meinte Joanne. „Sie sind in letzter Zeit ziemlich oft da, was ich gar nicht ve r stehen kann, sie gehen nämlich nicht in unsere Schule. Sind beide älter als wir, schätze ich.“
Ich zuckte mit den Schultern. „Ich werde nach ihnen Ausschau ha l ten.“
Wir tranken unsere Colas leer, verließen den Pub und mac h ten uns auf den Weg zur Bushaltestelle. Auf der Rückfahrt red e te Joanne über die Schule und ließ immer wieder fiese Ko m mentare über Adam ab. Sie wollte mich ganz klar aufmuntern, aber ich war zu unkonzentriert und zu energielos, um mich von ihr anstecken zu lassen. Ich lächelte hie und da, aber im Grunde sah ich nur immerzu Corvus’ Gesicht vor mir.
Zurück in Cedars Hollow verabschiedeten wir uns voneinander, und ich machte mich zu Fuß auf den Heimweg. Es war bereits halb acht und dunkel.
Dunkelheit. Sie verschluckte alle Bilder, jedes Geräusch. Dunkelheit bedeutete Schweigen, bedeutete Tod.
„Hazel.“
Daves Gestalt schälte sich aus der endlosen Schwärze. Er l ä chelte, doch in seinen schönen Augen sah ich einen Anflug von Zorn. Sein blasses Gesicht leuchtete in der Dunkelheit, als b e stünde es aus Licht.
„Warum so schweigsam?“, fragte er und kam etwas näher.
„Ich …“ Es kostete mich alle Mühe, nicht an dem einen Wort zu ersticken. Ich fürchtete mich mehr vor ihm, als ich wahrh a ben wollte.
„Was ist mit dir los?“ Über Daves Gesicht legte sich ein Au s druck von Sorge, den ich ihm aber nicht abnahm. Er kam noch einen Schritt auf mich zu. Inzwischen war er mir so nah, dass ich jeden Zentimeter seiner feinporigen Haut sehen konnte.
„Es tut mir leid, ich habe wirklich versucht, mich von dir fernzuha l ten“, sagte er. „Aber Corvus soll sagen, was er will. Es ist zu spät. Du gehörst mir, nicht ihm.“
Jetzt wurde er mir wirklich unheimlich. „Wie meinst du das?“
Für einen Moment verzerrte sich seine Miene wie vor Schmerz. „Durst“, keuchte er und presste sich eine Hand an die Kehle.
Adr e nalin schoss durch meine Adern.
„Ich brauche dich“, sagte Dave und verzog die Lippen zu e i nem Lächeln, das seine Zähne entblößte. Noch nie zuvor war mir aufg e fallen, wie spitz und scharf sie aussahen.
„Fass mich nicht an“, brachte ich hervor. Meine Stimme hatte hart klingen sollen, aber sie nahm eher einen verzweifelten U n terton an.
„Hab keine Angst“, sagte Dave und streckte seine Hand so blit z schnell nach mir aus, dass ich ihm nicht ausweichen kon n te. „Ich kann dich befreien. Dich glücklich machen.“
Er umklammerte mich so fest, dass ich mich nicht rühren konnte. Grob packte er mein Kinn und drückte es nach oben. Sein Atem streifte meine Kehle.
Ich wusste nicht, was ich tat. Wie im Traum folgte ich den Anwe i sungen, die mein Verstand mir zuflüsterte. Ich selbst kam mir dabei vor wie ein unbeteiligter Zuschauer.
Der Silberring.
Als ich mir das
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