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Cedars Hollow (German Edition)

Cedars Hollow (German Edition)

Titel: Cedars Hollow (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Schaefer
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bestaunte das Gli t zern in der Luft. Alles war still; der Schnee dämpfte jedes G e räusch.
    „Ich hab noch nie einem Menschen dabei zugesehen, wie er die Natur bewundert“, sagte Corvus hinter mir. „Dabei hat es durchaus seinen Reiz.“
    Er legte seine Hand auf meine Schulter und malte mit den Finge r spitzen Linien auf meinen Hals.
    „Alles ist so verwirrend“, flüsterte er. „Hast du so was schon mal erlebt?“
    „Du meinst diese Gefühle? Nein, noch nie. Und du?“
    „Ich? Nein, ich auch nicht.“
    „Wie kommt das?“
    Er lachte leise. „Zu der Zeit, als ich noch ein Mensch war, habe ich mich nicht für Mädchen interessiert“, erwiderte er. „Meine Jugend habe ich mit Lernen verbracht, und später, während me i ner Zeit an der Universität, habe ich mein Leben der Medizin gewi d met. Da war kein Platz für einen anderen Menschen.“
    „Und später? Ich meine, nach deiner Verwandlung?“ Ich vermied es, das Wort Vampir in meine Frage einzubauen, weil es mir unnatü r lich erschien. Es war nicht der richtige Ausdruck, um Corvus zu b e schreiben.
    „Es gab wohl keine Gelegenheit, würde ich sagen. Ich habe mich von allem und jedem ferngehalten, so gut es nur ging.“
    Seine Arme schlossen sich um meinen Oberkörper, und ich konnte nicht mehr denken. Seine kühlen Lippen berührten erst meine Schl ä fe, dann küsste er mich sanft auf die Wange. Wie gelähmt konze n trierte ich mich darauf, weiterzuatmen. Es war eine wohlige und gleichzeitig fast schmerzhafte Nähe.
    Langsam drehte ich mich in seiner Umarmung zu ihm um, um ihm in die Augen sehen zu können. Durch ihre Schwärze glaubte ich, direkt in Corvus’ Inneres, in seine Seele blicken zu können. Sie war hell, strahlender als das Dunkle, das ihn u m gab.
    Ich ließ meine Hand behutsam über seinen Arm wandern, und er ließ ihn langsam sinken. So sanft ich konnte, fuhr ich mit meinen Fingerspitzen über die weiße Innenseite seines Unte r arms und schob den Ärmel seines Hemds vorsichtig nach oben.
    Für den Bruchteil einer Sekunde versteinerte er unter meiner B e rührung, aber er wirkte nicht wütend, sondern ließ es zu. Meine Fi n ger stießen auf verletzte, zerkratzte Haut, die von blutigen Krusten übersät und an vielen Stellen vernarbt war. Ich kämpfte gegen das Unbehagen an, das mich jäh befiel, nicht wegen der Verletzungen selbst, sondern bei dem Gedanken daran, dass er sie sich selbst zug e fügt hatte.
    „Hässlich, oder?“ Seine Stimme klang bitter.
    Ich schüttelte den Kopf. „Ich könnte nichts an dir je hässlich fi n den.“
    „Die Kratzer wollen einfach nicht verheilen, seit Monaten nicht“, sagte er. „Als ich zuletzt die Kontrolle verloren habe, war es beso n ders schlimm.“
    Ich zögerte. „Es ist schwer, sich vorzustellen, dass eure Wu n den so langsam abklingen. Ich meine, ihr müsst ja ständig Angst davor h a ben, euch irgendwo zu verletzen.“
    „Angst nicht direkt. Aber wir müssen permanent wachsam sein. Trotzdem …“ Er stockte.
    „Hm?“
    „Trotzdem kann es passieren, dass wir sterben. Unverletzt sind wir zwar unsterblich, aber wenn wir schlimm verletzt we r den, haben wir kaum eine Chance auf Heilung. Manche Vampire, hauptsächlich ält e re, empfindlichere, sterben an Wunden, die ein Mensch problemlos wegstecken würde.“
    „Und ich dachte immer, Vampire wären wesentlich zäher als Me n schen.“
    „In vielen Dingen“, stimmte Corvus mir zu. „Aber nicht in allen. Wir sind zwar kräftiger und schneller, und unsere Sinne sind stärker ausgeprägt, aber letztendlich sind wir euch unterl e gen.“
    „Ich kann mir trotzdem nicht vorstellen, dass ein Mensch gegen e i nen von euch eine Chance hätte“, überlegte ich. Ich hatte Corvus und Dave kämpfen sehen; es war meinen Augen nicht möglich gewesen, ihren übermenschlich schnellen Bewegungen zu folgen.
    „Da hast du schon Recht. Es ist unwahrscheinlich, aber nicht u n möglich.“
    Ich fuhr so vorsichtig wie möglich über die vernarbte Haut und konnte spüren, wie sein Körper unter meiner Berührung erbebte.
    Schließlich ließ er von mir ab und machte einen Schritt z u rück. In meinem kleinen, unordentlichen Zimmer wirkte er wie jemand aus einer anderen Welt. Neugierig sah er sich um.
    Als sein Blick auf die Bücher in meinem Regal fiel, begann er zu l ä cheln. Mit übermenschlicher Schnelligkeit erreichte er es und besah sich die Buchtitel genauer. ‚Das Bildnis des Dorian Gray’. ‚Verbr e chen und Strafe’. ‚Sinn und

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