Cedars Hollow (German Edition)
sachte von sich, und ich trat widerwillig zurück.
„Es ist spät“, sagte er. „Soll ich dich jetzt nach Hause bri n gen?“
„Ich weiß nicht.“ Bei der Vorstellung an die Leere, die mich zwe i fellos überkommen würde, wenn ich das Haus betrat, war mir gar nicht wohl.
„Du musst nicht gehen, wenn du nicht willst.“
Dankbar und mit einem Anflug von plötzlicher Nervosität l ä chelte ich ihn an. Ich fühlte mich nicht müde, sondern eher aufgeregt. Corvus hingegen sah aus, als ob es ihm nur mit Mühe gelang, die Augen offen zu halten.
„Musst du nicht auch irgendwann einmal schlafen?“, fragte ich ihn aus Neugier.
„Wir brauchen weniger Schlaf als ihr Menschen. Bei uns reichen ungefähr zehn Stunden pro Woche.“
„Und wann hast du zuletzt geschlafen?“, fragte ich ein wenig e r schrocken.
„Ist schon ’ne Weile her“, gab er zögerlich zu. „Vielleicht vor zwei Wochen.“
Ich warf einen Blick auf die Matratze und setzte mich dann auf den Boden daneben.
„Was machst du?“, fragte er verwundert.
„Ich bin nicht müde“, sagte ich. „Du aber offensichtlich schon.“ Ich klopfte auf die Matratze. „Komm, leg dich schon hin.“
Eine Weile stand er einfach nur da und blickte mich an. Dann ließ er sich langsam auf die Matratze sinken, ohne mich jedoch dabei aus den Augen zu lassen.
„Danke“, murmelte er und platzierte seinen Kopf so, dass ich ihn mühelos berühren konnte. Ich streckte die Hand aus und strich ihm langsam durchs Haar. Obwohl es so wide r spenstig aussah, fühlte es sich glatt und weich an.
Nach einer Weile wurde sein Atem ruhiger, und er schloss die Lider. Ich blieb ganz still sitzen und betrachtete sein entspanntes Gesicht. Im Schlaf hatte es einen verletzlichen, sanften Ausdruck angenommen. Er hatte die Lippen leicht geöffnet, die ungewöhnlich trocken und rau aussahen.
Trotz meiner Vorsätze, nicht einzuschlafen, überkam mich irgen d wann doch die Erschöpfung. Ich musste wohl an die Zimmerwand gelehnt eingeschlafen sein, wurde aber grob ins Hier und Jetzt z u rückkatapultiert, als irgendetwas an der Schwelle meines Bewusstseins zu zerren und zu ziehen begann. Ich hörte ein merkwürdiges G e räusch, eine Art Keuchen, und schlug die Augen auf.
In der Dunkelheit brauchte ich eine Weile, bis ich begriffen hatte, wo ich war. Ich tastete die Wand und den Rand der Ma t ratze ab.
„Nein!“ Etwas Kaltes packte meine Hand und drückte fest zu. Ein heißer Schmerz schoss meinen Arm entlang, und ich keuchte.
Dann wurde meine Hand ruckartig wieder freigegeben, und ich wich zurück.
Corvus.
Ich rappelte mich ungeschickt auf und tastete mich die Wand en t lang, bis ich den Lichtschalter gefunden hatte. Als das elek t rische Licht durch den Raum flutete, war ich für einen Moment so geble n det, dass ich die Augen zusammenkneifen musste.
Corvus saß kerzengerade da. Er hatte die Augen weit aufg e rissen und seinen Körper angespannt. Seine Haut war wach s weiß, und seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig.
Langsam ging ich zurück zu ihm und setzte mich auf den ä u ßersten Rand des dürftigen Bettes. Er starrte mich aus geröt e ten Augen an, und seine Pupillen wirkten schwarz und leer.
„Du hast geträumt“, sagte ich leise.
Er schüttelte den Kopf, als versuchte er, den Rest des Traumg e spinstes abzuschütteln. Sein Blick fiel auf meinen Arm und die Spur, die er mit seinem festen Griff darauf hinterlassen ha t te.
„Ich hätte dich warnen müssen. Meine Träume sind allzu reali s tisch.“
„Willst du mir davon erzählen?“ Ich versuchte, ihm in die Augen zu sehen.
„Lieber nicht. Zumindest nicht jetzt.“
Ich fragte mich, welche Art von Traum jemanden wie ihn erschr e cken konnte. Ich konnte es mir nicht vorstellen. Wahrscheinlich wol l te er mir nicht davon erzählen, weil er Angst hatte, ich könnte einen Schock erleiden oder so.
„Leg dich wieder schlafen“, sagte ich.
Er nickte langsam und legte sich wieder hin. Ich lehnte mich z u rück, schloss die Augen und sank zurück in einen Zustand zwischen Schlaf und Wachsein.
Aufgewühlt
A ls ich wieder aufwachte, war es um mich herum noch immer du n kel. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr; es war gerade erst sechs Uhr morgens. Ich versuchte, noch einmal einzuschlafen, aber ich fühlte mich überhaupt nicht mehr müde, also stand ich auf. Corvus lag noch immer schl a fend auf der Matratze am Boden. Seine Brust hob und senkte sich regelmäßig, und ich konnte
Weitere Kostenlose Bücher