Cedars Hollow (German Edition)
schuldbewusster Miene an. „Ich – ich hätte dich nicht im Stich lassen dürfen. Ich habe es erst gemerkt, als ich schon glaubte, es wäre zu spät.“
Ich konnte ihn nicht anschauen. Nicht nur er fühlte sich schuldig, mir ging es genauso.
„Ich hab die Polizei alarmiert, hab ihnen von diesem Dave e r zählt. Aber als wir dann endlich zum Haus kamen, waren du und Dave einfach verschwunden. Ich dachte schon, ich hätte dich verloren.“ Er schluckte. „Die Polizisten haben mir kein Wort geglaubt, weil es ke i ne Hinweise auf einen Einbruch oder was Ähnliches gab. Sie dachten wohl, ich hätte mir alles nur eingebildet. Hielten mich für verrückt und sind sofort wieder abgezogen.“
Ich heftete den Blick auf meine Finger.
„Danach hab ich auf eigene Faust versucht, dich zu finden“, fuhr mein Vater fort. „Aber du und Dave habt keinerlei Spuren hinterla s sen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie schlimm es war.“ Er stockte und presste die Lippen fest aufeinander. „Und dann tauchte plötzlich mitten in der Nacht dieser Jonathan mit dir im Arm hier auf. Sagte, er hätte dich verletzt irgendwo in der Nähe von der Schule gefunden. Besonders gesprächig war er nicht. Aber er hat mir g e glaubt, als ich ihm von Dave erzählt habe. Er sagte, er hätte schon von ihm gehört, und dass Dave in anderen Städten bereits genug Unheil für viele Jahre angerichtet hätte. Scheinbar ist er ein Wahnsi n niger und hält sich für einen Vampir.“
Wäre ich nicht wie gelähmt gewesen, hätte ich vielleicht g e lacht. So aber schwieg ich und versuchte krampfhaft, Dad nicht in die Augen zu schauen.
„Was ist passiert, nachdem Dave dich mitgenommen hat?“, fragte Dad.
Ich versuchte zu schlucken, doch mein Hals war vollkommen au s getrocknet. „Ich weiß nicht“, würgte ich hervor. „Ich kann mich nicht erinnern.“ Ich fixierte weiterhin meine Hände, um meine Lüge glaubwürdiger erscheinen zu lassen.
Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Dad nickte. „Keine So r ge, das wird schon wieder. Nach allem, was du durchmachen mus s test.“ Wieder hielt mein Vater inne. „Nun, Jon a than ist also dein Freund?“
Es war irgendwie merkwürdig, nach allem, was passiert war, auf dieses Thema zu sprechen zu kommen. Ich nickte, obwohl ich mir keineswegs so sicher war, ob das auch stimmte. Vie l leicht empfand Corvus ja ganz anders. Vielleicht wollte er mich gar nicht mehr sehen, nach dem, was ich angerichtet hatte.
„Aha. Nun ja, das freut mich für dich.“ Mit einem Mal wirkte Dad verlegen. Er räusperte sich, dann fragte er: „Ist es richtig, dass Dave versucht hat, sich mit dir anzufreunden?“
Ich war froh über den Themenwechsel, aber dieses Thema war mindestens genauso unangenehm wie das vorige. „Es tut mir wirklich leid. Ich konnte ja nicht wissen, dass er …“
Dass er Mom umgebracht hat.
Dad senkte seinen Blick. Ihm ging genau dasselbe wie mir durch den Kopf, da war ich ganz sicher.
Mein Kopf war vollkommen überfüllt, da war einfach zu viel, was ich verarbeiten musste. Vertraute Bilder spielten sich in rasender Geschwindigkeit vor meinem inneren Auge ab, allerdings in der fa l schen Reihenfolge. Da war Corvus, der mir die Wahrheit über Dave verschwiegen hatte. Baltazar, der in seiner Schlangengestalt tot auf dem Boden lag und dann zu Asche zerfiel, und Dave, der mir sagte, dass er das Blut meiner Mom getrunken und sie damit umgebracht hatte. Raphael; er hatte uns verraten. Corvus, der sich über mich beugte, bereit, zuz u beißen.
Gegen meinen Willen fielen mir die Augen zu, doch ich war noch nicht bereit, unter die dunkle Oberfläche zurückzukehren.
„Ich werde noch einmal zur Polizei gehen“, sagte Dad. „Sie werden mir zuhören müssen. Dave soll bezahlen für das, was er uns angetan hat.“ Sein Gesicht verzerrte sich vor Hass. „Er soll nie wieder eine Gefahr für uns darstellen.“
„Nein.“ Meine Stimme hatte energisch klingen sollen, doch sie nahm einen kläglichen Unterton an.
Dad schüttelte den Kopf. „Du bist verwirrt, Hazel“, sagte er. „Du solltest jetzt weiterschlafen und dich erholen.“
„Was für ein Tag ist heute?“, fragte ich.
„Sonntag“, entgegnete er. „Du warst gestern den ganzen Tag b e wusstlos.“
Ich sah die Erschöpfung in seinem übernächtigten Gesicht. „Wie geht es dir?“, fragte ich. Es war eine dumme Frage. Was erwart e te ich denn?
Er lächelte matt. „Keine Sorge, mit mir ist alles in Ordnung.“ Er rieb sich die Stirn. „Ruh dich jetzt
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