Centurio der XIX Legion: Historischer Roman (German Edition)
durch den Türspalt ein ängstliches Gesicht sichtbar wurde, nutzte er die Gelegenheit, um Druck abzulassen. Das magere dreizehnjährige Bürschchen, das ins Zimmer lugte, hieß Ajax und war ihm als Mulio und Dienstbote zugeteilt worden. Lucius hatte ihn nach seiner Rückkehr vor seinem Quartier vorgefunden. Galarius hatte ihn offenbar dort hinbefohlen. Auf dem bevorstehenden Marsch würde er sich um Lucius’ Gepäck kümmern und hier im Lager …
„Wo ist mein Frühstück?“, brüllte Lucius ihn an. „Wenn es nicht sofort serviert wird, hol ich meinen Stock, dann kannst du aber was erleben!“
Ajax zuckte erschrocken zurück und stieß gleich darauf die Tür auf und brachte ihm etwas zu essen. Lucius würgte ein paar Bissen herunter und sah dabei noch einmal in die Personalrolle seiner Centurie. Sein Stab bestand aus dem Signifer Mallius, dem Optio Drusillus, dem Tesserarius Celsonius, dem Cornicen Secundus und dem Waffenmeister Maximus. Dazu noch ein Schreiber namens Pullio. Hm, ein Huhn als Schreiber. Er grinste. Hoffentlich gackerte der nicht zu viel!
Die Legionäre kamen aus Italia, Gallia Cisalpina und Transalpina. Der Tross bestand aus fünfzehn Maultieren und ihren Treibern. Lucius warf das angebissene Brot auf den Tisch und sprang dann auf.
„Ich muss nach den Männern sehen, bereite alles zum Abmarsch vor! Wehe, du bist nicht mit Packen und Aufräumen fertig, wenn ich zurückkomme!“, schnauzte er Ajax noch einmal an.
Er griff nach seinem Helm und nach dem Stock. So, nach diesem Ausbruch fühlte er sich besser.
Es war schön, nicht mehr das letzte Glied in der Kette zu sein und zur Abwechslung einmal selbst jemanden anschreien zu können. Er trat hinaus auf die Lagerstraße und eilte zu seiner neuen Einheit.
Er hatte sich gestern Abend bereits mit dem Optio Drusillus bekannt gemacht. Lucius hatte ihm mitgeteilt, dass sie an diesem Morgen aufbrechen würden und dass die Einheit eine Stunde nach dem Wecken abmarschbereit sein müsse. Für diese eine Nacht in das Centurionen-Quartier seiner neuen Einheit umzuziehen, war ihm zu aufwendig gewesen und er ging davon aus, dass Drusillus unmittelbar nach dem Wecken die nötigen Befehle erteilt hatte.
Er eilte durch das Lager und sah überall deutliche Zeichen des Aufbruchs. Einige Legionäre standen vor ihren Unterkünften und aßen noch schnell eine Kleinigkeit, andere brachten ihre Waffen und ihr Gepäck nach draußen, wo sie auf die Maultiere warteten, denen gerade das Tragegeschirr von den Mulios angelegt wurde. Hier und dort bedachten ihn die Männer mit einem merkwürdigen Blick. Er sah einen Legionär, der seinen Nebenmann mit dem Ellbogen anstieß und mit dem Kopf zu Lucius hinüberdeutete. Sie starrten ihm eine Weile hinterher, erst eine gebrüllte Zurechtweisung ihres Optios brachte sie wieder zurück an ihre Arbeit.
Lucius bog in die Gasse seiner Centurie ein und erstarrte. Auf der linken Seite, wo die erste Hastatencenturie ihre Unterkünfte hatte, herrschte geschäftiges Treiben. Auf der rechten Seite, bei seiner Centurie, herrschte hingegen gelassene Ruhe. Seine Männer saßen unter den Vordächern ihrer Baracken und sahen den Männern auf der Gegenseite beim Arbeiten zu – einige gelangweilt, andere unruhig oder besorgt, aber keiner schien bereit, gleich aufzubrechen. Lucius verschlug es für einen Moment den Atem. Er sah hektisch von links nach rechts. Die Männer sahen ihn an und einige erhoben sich zögernd.
„Los, aufstehen!“, rief Lucius mit schriller Stimme. „Macht euch zum Abmarsch bereit, wir brechen in Kürze auf!“
Seine Stimme überschlug sich und die Männer sahen sich belustigt an. Wenigstens erwachte die Einheit zum Leben: Die Männer erhoben sich und eilten in ihre Räume, um ihre Sachen zu packen. Lucius sah Drusillus am Ende der Baracke stehen und stürmte auf ihn zu. Wut kochte in ihm hoch. Er würde den Optio in der Luft zerreißen. Drusillus und ein anderer Mann, offensichtlich der Signifer, standen mit dem Rücken zu ihm und unterhielten sich mit einem dritten Mann, den Lucius nicht erkennen konnte.
„Drusillus!“, rief Lucius und der Optio drehte sich zu ihm um. Dadurch gab er den Blick auf den anderen Mann frei und Lucius stand das Herz still. Titus Valens starrte ihm wütend entgegen. „Schön, dass du uns auch schon mit deinem Besuch beehrst, CENTURIO Marcellus!“, höhnte er. „Hattest du nicht gestern vom Primipilus persönlich die Mitteilung bekommen, dass heute Abmarsch ist? Wann gedachtest du
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