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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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gut.«
    »Ja, wo willst du denn hin?« rief
Nigân klagend und zugleich resigniert. Gleich würde sie losweinen.
    Refık stand betreten da und
brachte keinen Ton heraus. Aus dem Perlmuttzimmer kamen neugierig Ayşe und
die Enkel herbei.
    Osman sagte zu Nermin: »Bring doch
mal die Kinder zu Bett!« Ayşe gab er mit einem Blick zu verstehen, dass
sie nun besser auch hinaufging. Nermin nahm sogleich die Kinder mit.
    Nigân fing an zu weinen. »Ich wusste
es! Ich wusste es!« rief sie immer wieder.
    »Mutter, wir wissen doch noch gar
nicht, was los ist«, sagte Osman, »also gibt es auch keinen Grund zu weinen!«
Und zu Refık gewandt: »Also, worüber habt ihr gestritten? Vielleicht liegt
die Schuld ja bei dir, so seltsam, wie du in letzter Zeit bist.«
    Refık gab Osman keine Antwort.
Zu seiner Mutter sagte er: »Bitte, Mutter, wein doch nicht!«
    Osman sah ein, dass er nicht den
richtigen Ton gefunden hatte. »Na komm, jetzt setz dich doch mal her!«
    »Nein, ich gehe!«
    »Ich begreife überhaupt nichts
mehr!« rief Osman.
    Refık stand immer noch neben
seinem Koffer und konnte ihn weder aufnehmen und gehen, noch schaffte er es, sich
zu seiner Mutter zu setzen. Draußen hörte man das Rauschen der vom Lodos
geschüttelten Bäume. Die Fenster zum Garten wölbten sich manchmal unter dem
Ansturm und verzerrten auf den dunklen Scheiben den Widerschein des Zimmers.
    »Du gehst mir nirgends hin bei
diesem Sturm!« rief Nigân aus, aber das klang so wenig überzeugend, dass
dadurch die Stimmung nur noch gedrückter wurde.
    »Doch, ich gehe!« erwiderte
Refık und hoffte inständig, es würde Perihan nicht einfallen, ausgerechnet
jetzt herunterzukommen.
    Osman ging auf Refık zu und
legte ihm in einer väterlich gedachten Geste die Hand auf die Schulter, was
allerdings nicht überzeugend wirkte.
    »Jetzt mal im Ernst, wo willst du
hin?«
    Refık fühlte Osmans Hand auf seiner
Schulter lasten und sagte: »Zu Ömer!«
    »Zu Ömer? Ist der in Istanbul?«
    »Nein.«
    Osman zog seine Hand zurück. »Du
willst doch nicht etwa …? Zu dieser Baustelle willst du? Im Ernst?«
    »Genau da will ich hin!« Auch ihm wollte
das Wort »Kemah« nicht über die Lippen. »So, die Entscheidung ist gefallen!«
dachte er. Er hob den Koffer auf und sagte errötend: »So, Mutter, jetzt gehe
ich!« Er hätte gern den Eindruck vermittelt, er sei mit sich im reinen. »In
einem Monat bin ich zurück! Bitte, es gibt wirklich nichts zu weinen! Ich sage
doch, in einem Monat komme ich wieder! Warte, ich gebe dir noch einen Kuss!« Er
stellte den Koffer wieder ab, umarmte seine Mutter und küsste sie auf die
Wange. Nach kurzem Zögern nahm er ihre Hand und küsste auch diese. Das reute
ihn auf der Stelle, war es doch eine Geste, die sich für große, feierliche
Momente ziemte, und dass es sich um einen solchen nicht handelte, hatte er doch
gerade beweisen wollen.
    »Wo gehst du jetzt hin?« fragte
Nigân.
    »Zuerst in ein Hotel. Bleib nur
sitzen!«
    »In ein Hotel willst du?« sagte
Nigân, aber da hatte sich Refık auch schon den Koffer geschnappt und war
beinahe zur Tür hinaus. Er hörte noch, wie sie zu Osman wiederholte: »In ein
Hotel will er?«
    Osman ging ihm bis zur Haustür nach.
»Das ist nicht gut, was du da machst! Ruf mich morgen in der Firma an! Du wirst
ja nicht sofort abreisen … Denk noch mal drüber nach!« Dann schlüpfte er
wieder in die Rolle des großen Bruders und sagte scharf: »Nimm gefälligst Vernunft
an!«
    »Ich rufe morgen an!« erwiderte
Refık und ging hinaus.
    Die Gartenglocke klingelte. Die
Bäume rauschten, aber ansonsten war es ruhig in Nişantaşı; keine
Spur mehr von der abendlichen Geschäftigkeit, auch nicht mehr von dem Tang- und
Meergeruch. Der Sturm brachte die ruhigen Lichter von Nişantaşı
zum Erzittern und blies die aus den Fenstern herausscheinende Ruhe und
Gemütlichkeit hastig davon.

25
  DAS ZIMMER VON RASTIGNAC
    »Noch ein bisschen später, und du wärst in die Dunkelheit
geraten«, sagte Ömer.
    »Ja!« Refık steckte die Reise
noch in den Knochen. »Ich hätte nie gedacht, dass vierzig Kilometer so lang
sein können!« Er erzählte noch mal von den drei Tagen, die er unterwegs gewesen
war. Von Ankara nach Sivas war er mit dem Zug gefahren und dort in einen Bus
gestiegen, der ihn in einer ganztägigen, ziemlich abenteuerlichen Fahrt nach
Erzincan gebracht hatte. Dort hatte er übernachtet und danach für die letzten
vierzig Kilometer nach Alp noch einmal einen halben Tag gebraucht. Vor

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