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Cevdet und seine Soehne

Cevdet und seine Soehne

Titel: Cevdet und seine Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orhan Pamuk
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davon erführen? Unsinn!
Was soll man dann mit seinem Leben anfangen? Sieh dich nur an in dem Spiegel!
Wie passt die kleine Nase zu deinem riesigen Körper? Jemand – war das nicht
Kâmil Paşa? – hat mal gesagt: Ein imposanter Staatsmann braucht vor allem
eine imposante Nase! Und ich habe nichts anderes als diese lächerlichen Segelohren!«
Nein, er durfte nicht länger allein in diesem Zimmer bleiben und Trübsal
blasen!
    Nervös ging er in die Küche, wo das
Dienstmädchen am Herd etwas kochte. Die Fenster waren angelaufen von dem vielen
Dampf.
    »Wo ist denn meine Tochter, Hatice?«
    »Sie ist mit Ömer aus dem Haus
gegangen. Sie wollten zur Trauerfeier.«
    »Und sie ist noch nicht zurück?«
Verärgert darüber, so eine unsinnige Frage gestellt zu haben, ging er wieder
hinaus. »Wo die beiden bloß stecken?« Wie konnte seine Tochter an so einem Tag
nur ans Herumlaufen denken? »Man setzt sie in die Welt, hegt und umsorgt sie,
und dann wirft sie sich so einem eingebildeten, geldgierigen Fatzke an den
Hals!« Er sah auf das Venedigbild, das er selber gekauft hatte. Seiner Frau
hatte es nicht gefallen, aber aufgehängt hatten sie es trotzdem. Wehmütig
dachte er an seine Frau. »Sie allein habe ich wirklich geliebt. Sie hat immer
nur milde über mich gelächelt, und eines Tages ist sie von mir gegangen. Und
Nazli verlässt mich auch bald. Noch dazu mit diesem arroganten Kerl! Wenn sie
doch wenigstens einen anderen gefunden hätte!« Ihm fiel Refık ein. »Ja,
den zum Beispiel. Er mag naiv sein, aber es ist ein grundanständiger,
liebenswerter Mensch.« Schmunzelnd dachte er an die Diskussionen mit
Refık. »Na ja, ein bisschen zu naiv ist er schon! Man darf und soll sogar
ruhig idealistisch veranlagt sein, aber was zu weit geht, geht zu weit!«
Wenigstens hatte man im Landwirtschaftsministerium nun doch beschlossen,
Refıks Buch herauszubringen. Vermutlich wollte der Minister sich mit den
Anhängern İsmet Paşas gutstellen und hatte daher dem Schützling
Muhtars einen Gefallen getan. Refık hatte noch vor, sich mit Süleyman
Ayçelik zu treffen, dann wollte er nach Istanbul zurück. Verärgert dachte
Muhtar an diesen Ayçelik und seine Zeitschrift. »Ich habe nichts übrig für
solche Spinner! Aber wer weiß, vielleicht ist mein Sehnen nach diesem Posten
auch nichts anderes als Spinnerei … Vielleicht bin ich nur ein armseliger
Phantast, der sich leeren Hoffnungen hingibt! Und sowieso bin ich ein Nichts
neben jenem großen Toten! Wie furchtbar ist doch der Tod! Man lebt und bemüht
sich und wird zu einem der größten Staatsmänner des Landes und der ganzen
Geschichte, und plötzlich ist auf einen Schlag alles aus!« Er breitete die
Hände aus. »Furchtbar ist der Tod. Und ich nur eine kleine Ameise. Vor allem
jetzt, nach seinem Tod. Ach, wenn ich doch mit jemandem reden könnte!«
Vielleicht mit dem Dienstmädchen? Hoffnungsvoll machte er sich in die Küche
auf.
    Hatice stand noch genauso vor dem
Herd und rührte prüfend in einem Topf umher.
    »Was kochst du da, Hatice?«
    »Sie wollten doch gestern Milchreis
haben!« gab das Mädchen trocken zurück.
    »Ach ja, stimmt! Aber lass ihn nicht
anbrennen!«
    »Habe ich Ihnen schon mal angebrannten
Milchreis vorgesetzt?« erwiderte Hatice im gleichen Ton.
    »War ja nur ein Scherz!« Aus
Verlegenheit öffnete Muhtar den Kühlschrank und suchte darin herum. Als sein
Blick auf einen bestimmten Teller fiel, wurde er gleich wieder wehmütig. Der Teller
gehörte zu einem Geschirrservice, das seine Frau drei Monate vor ihrem Tod noch
gekauft hatte. Es hatte Streit darüber gegeben, denn Muhtar war der Auffassung
gewesen, für Wohnzimmersessel oder Kleidung hätten sie das Geld besser ausgeben
können. Nun wurde ihm wieder bewusst, wie sinnlos dieser Streit gewesen war.
»Ach, Leben, Tod … Es ist ja alles so sinnlos!« Im Kühlschrank sagte ihm
einzig und allein eine Olive zu, und als er die gegessen hatte, bekam er Durst.
Er trank ein Glas Wasser und fragte sich dabei, wie er wohl mit dem
Dienstmädchen ins Gespräch kommen sollte. Er sah ihr zu, wie sie energisch in
dem Topf rührte. »Man muss also ständig umrühren?« sagte er.
    »Ja.«
    »Und geht da nicht der Geschmack verloren
von dem vielen Rühren? Und, äh, die richtige Konsistenz?«
    Als einzige Antwort klopfte das
Dienstmädchen den Holzlöffel mit heftigen Schlägen an der Topfwand ab. Dann
legte sie mit unwirscher Geste den Deckel auf den Topf.
    Muhtar trat ans Fenster und
zeichnete Figuren auf die

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